„Nachhaltigkeit und Fairness müssen in die Märkte eindringen“, begann Sergei Bojew am Dienstag, 21. Januar, im StartRaum das neunte Social Entrepreneurship Meetup Göttingen.
Sein Einstieg in das Thema des Abends „Fairfashion“ war fast schon eine Wutrede – Wut auf die Modeindustrie, auf die schlechten Arbeitsbedingungen und den Einsatz von Chemikalien in den Ländern, in denen Baumwolle angebaut und unsere Kleidung hergestellt wird. Und Wut auf die Märkte, die die gewaltige Überproduktion unhinterfragt abnehmen. Auf der einen Seite bieten Marktführer wie Zara und H&M bis zu 24 Kollektionen pro Jahr an. Auf der anderen Seite kauft jede*r Deutsche jedes Jahr rund 60 neue Kleidungsstücke – trägt diese aber nur halb so lange wie vor 15 Jahren. Ein schnelles Geschäft mit Risiken und Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt.
Nachhaltige Mode durch Fairfashion
Was also tun? Bojews Vorschläge: ein bewussterer Konsum (z.B. gebraucht kaufen, weniger kaufen, tauschen, ausbessern und auf Siegel wie GOTS achten), mehr Reglementierung seitens der Politik und Geschäftsmodellen eine Chance zu geben, die Fairness und Nachhaltigkeit in ihr Geschäftsmodell integrieren.
Das nachhaltige Sport-Label aus Osterode am Harz
Ein solches Geschäftsmodell ist das des niedersächsischen Startups Gymbassador. Sie wollen es besser machen – und zwar mit 3D-Strick. Die Vorteile sind, unter anderem, dass beinahe alles maschinell gefertigt werden kann. Ganz im Gegensatz zum handarbeitsaufwändigen Cut&Sew-Prozess, der die Produktion in Billiglohnländer verschickt. Außerdem kommt beim 3D-Weben alles „aus einem Guß“. Bedeutet, es gibt keine Nähte. Das bedeutet einerseits einen höheren Tragekomfort und andererseits, dass der Verschnitt auf fast Null reduziert wird. Durch den 3D-Druck sind die Designs jedoch beschränkt: Taschen, Reisverschlüsse oder Netz-Innenhosen müssen auch hier von Hand angebracht werden. Die Produktion findet derzeit in Portugal statt, das Garn kommt aus Italien. „In Deutschland ist die Produktion bisher kaum möglich, da es fast keine Näher*innen mehr gibt“ so Gründer Rico Hausmann. Seine Hoffnung ist, die Produktion wieder nach Deutschland zu holen und so die Lieferwege zu minimieren. Auch bei der Lieferung setzt Gymbassador auf Nachhaltigkeit: die Polybags, in denen alle Kleidungsstücke von der Produktion geliefert werden, sind aus recyceltem Meeresmüll. Die Innovation der neuen Kollektion: einpflanzbare Etiketten.
Fairer Handel und faire öffentliche Beschaffung
Um Fairness auch in die öffentliche Beschaffung zu bringen, wurde 2017 die Koordinierungsstelle ‚Fairtrade-Region Göttingen‘ gegründet. Denn die öffentliche Hand darf Aufträge nicht einfach an beliebige Händler vergeben, sondern muss diese ab einem gewissen Betrag ausschreiben. Die Auswahl der Bewerber*innen erfolgte bisher hauptsächlich unter dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit. Bedeutet, das günstigste Angebot erhielt den Zuschlag. Joachim Berchtold, Koordinator der Fairtrade-Region Göttingen, richtet nun Ausschreibungen nach und nach auf soziale und ökologische Kriterien aus. So sollen diejenigen Anbieter*innen ausgewählt werden können, die beispielsweise Arbeitskleidung mit Siegeln wie „Fairtrade“, „Fair Wear“ oder „GOTS“ anbieten. Bertolds erstes Projekt war die nachhaltige Beschaffung von Wetterschutzjacken für die Berufsfeuerwehr. Darüber hinaus bietet die Initiative Informationen, Aktionen und Veranstaltungen für Verbraucher*innen wie ein faires Einkaufsverzeichnis und die Faire Woche, sowie Öffentlichkeits- und Pressearbeit. In der Initiative möchte sich die Stadt und der Landkreis Göttingen zusammen mit der Zivilbevölkerung für fairen Handel einsetzen.
Das Meetup
Das Social Entrepreneurship Meetup Göttingen bietet Sozialunternehmer*innen und allen Interessierten regelmäßig einen Ort zum Austauschen und Netzwerken sowie die Gelegenheit, eigene sozial-unternehmerische Ideen anzustoßen. Veranstaltet wird es von Gö:Social (Sergei Bojew und Tamara Schiek), SüdniedersachsenInnovationsCampus (SNIC), social-startups.de, StartRaum Göttingen und Startup Göttingen.
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Quellen
- McKinsey and Company (2016). Style that’s sustainable: A new fastfashion formula. Von Nathalie Remy, Eveline Speelman, and Steven Swartz, October 2016
- Greenpeace (2017). Konsumkollaps durch Fastfashion.
2 Kommentare
Wann wird das nächste Meetup stattfinden?
Hallo Elisabeth,
bitte entschuldige die späte Rückmeldung. Wir hatten immer wieder ein neues Meetup geplant und es dann aufgrund von Covid-19 doch wieder verschoben. Bisher haben wir noch keinen neuen Termin. Sobald dieser aber feststeht, werden wir hier im Blog darüber informieren :)
Liebe Grüße
Tamara