Das in Australien entwickelte Flow Hive-System ermöglicht es Imkern, Honig automatisch zu ernten – ohne den Bienenstock zu öffnen. Dies soll nicht nur den Stress für die Bienen, sondern auch den Aufwand für die Imker senken.
Der Höhepunkt im Imkerjahr – die Honigernte. Für die Honigentnahme müssen die Bienen umgesiedelt werden, dafür gibt es beispielsweise die Bienenflucht – eine Art Einwegstraße von den Waben zum Brutraum. Das dauert etwas. Dann kann es losgehen: Waben entnehmen; restliche Bienen abfegen; das Wachs, mit dem die Honigwaben verschlossen sind, entfernen; den Honig entweder von Hand aus den Waben kratzen oder in einer Honigschleuder abschleudern. Nach dem sieben und abfüllen des Honigs werden die leeren Waben wieder in die Honigzargen eingesetzt – fertig.
Folglich steht der geerntete Honig nicht nur für gesunde Bienen, eine gute Pflege des Bienenvolkes und den passenden Standort, sondern auch für viel und kleinteilige Arbeit. Doch bei dem neu entwickelten Flow Hive wird einfach ein Hebel umgelegt und der Honig fließt automatisch über einen „Zapfhahn“ nach außen. Der Bienenstock selbst muss dabei nicht geöffnet werden. Die australischen Erfinder, Stuart und Sohn Ceder Anderson, versprechen außerdem, dass es kaum Aufwand, keine Sauerei oder teures Verarbeitungsequipment gibt und die Bienen bei der Honigernte kaum gestört werden.
Wie funktionier der Flow Hive?
Das Geheimnis hinter dem System sind modifizierte künstliche Wabenzellen aus lebensmittelechtem Polypropylen (PP), also Kunststoff. Jede vertikale Wabenzelle besteht aus zwei „halben“ Wabenreihen. Der kleine Schlitz, der zwischen den beiden halben Zellen entsteht, wird von den Bienen mit Wachs verschlossen, mit Honig gefüllt und mit Wachs gedeckelt. Durch den transparenten Wabenrahmen ist von außen sichtbar, ob die Waben mit Honig gefüllt sind. Betätigt man den Hebel, werden die Wabenreihen auseinander gezogen, das Wachs in den Schlitzen bricht und der Honig fließt durch den sich bildenden Kanal nach unten, direkt in das bereitgestellte Gefäß.
Automatischer Bienenstock für bienenschonende Honigernte
Laut den Entwicklern bedeute dieses Verfahren für die Bienen weitaus weniger Stress als der herkömmliche Prozess der Honigentnahme. Besonders das ständige Öffnen des Bienenstocks soll den Tieren zusetzen. Außerdem müssten die Bienen nicht mehr mit Rauch aus einem Smoker sediert werden und auch beim Einsetzen der abgeernteten Waben werden keine Bienen unabsichtlich zerquetscht.
Die Entwicklung dauerte knapp zehn Jahre. Die beiden Entwickler wollten kein Detail missachten und das gesamte Konstrukt einwandfrei konzipieren. International schlägt das Konzept auf großen Anklang. Im Jahre 2015 sollte mit einer Crowdfunding-Kampagne die erste Serienfertigung des Flow Hive finanziert werden. Ziel waren 70.000 US$. Beendet wurde die Kampagne mit insgesamt 13.246.094 US$. Offenbar werden große Hoffnungen in diese Vorrichtung gesetzt, das aktuelle und drastische Problem des Bienensterbens zu stoppen. Neben Pestiziden, monotoner Agrarlandschaften, der Varromilbe und dem Klimawandel ist auch der Rückgang an Hobbyimker ein Grund für den Rückgang an Bienenvölkern.
Ist einfacher immer besser?
Gerade aufgrund der Einfachheit der Prozedur besteht jedoch die Gefahr, dass der wahre Fokus der Bienenzucht verloren gehen könnte. Nicht die Imkerei oder das Wissen der Imker wird verbessert, sondern der Vorgang des Honigerntens soweit vereinfacht, dass womöglich die Aufmerksamkeit darauf, gesunde Bienen zu halten, sinkt. Diese Vereinfachung hat natürlich auch Vorteile. Denn mehr (Hobby-)Imker bedeutet auch mehr Bienen und somit auch mehr Unterstützung für den Schutz und den Arterhalt dieser Tiere.
Weiterhin verspricht der Flow Hive bienenfreundliches imkern. Erhard Maria Klein vom Verein Mellifera e. V. meint hierzu: „Verantwortungsbewusste Imker wissen schon lange, wie sie auf rücksichtsvolle Weise Honig ernten können, indem sie den Bienen ihren Honig für die Überwinterung lassen und nur die echten Überschüsse herausnehmen.“
Ein weiterer Kritikpunkt ist auch, dass – im Gegensatz zu Australien – in Breitengraden wie Deutschland, die Temperaturen nur selten auf 30 Grad ansteigen. Da Honig bei kälteren Temperaturen jedoch eher zähflüssig ist, wird er bei uns wohl nicht ganz so locker durch den Kanal abfließen. Außerdem werden beim „ausleeren“ der Waben auch ungedeckelten Zellen im unteren Bereich der Wabenrahmen entleert, bei denen der Wassergehalt des Honigs noch nicht reduziert wurde. Je höher jedoch der Wassergehalt im Honig, desto geringer die Qualität. Eine weitere Frage ist auch, ob Bienen Plastik mögen. Jeder „Öko-Bienenzüchter“ wird dem wohl widersprechen.
Kritik gibt es von vielen Seiten, so wie es auch von vielen Seiten Zuspruch gibt. Langfristig ist das System jedoch noch unerprobt. Wie lange die Kunstsoff-Waben halten und ob die Bienen damit wirklich glücklich werden, ist also noch nicht bekannt. Von dieser Tatsache und dem Preis, der derzeit bei US $699 liegt, hängt wohl ab, ob sich der Flow Hive durchsetzen wird.