Vor kurzem gewannen sie den „Social Pitch“ der größten deutschen Konferenz für soziales Unternehmertum: Die Waldmenschen. Mithilfe ihrer Mitglieder und Partner erwirbt die Genossenschaft brachliegende Flächen in Panama und pflanzt neue Wälder. Ein aussichtsreiches Projekt.
Als ich 12 war, kaufte mein Vater einen Hektar Regenwald. Damals machte der WWF auf die dramatische Abholzung und die Folgen für unser Klima aufmerksam. Die schöne Urkunde über den Hektar Wald, die mein Vater gegen seine Spende zugeschickt bekam, war allerdings nur eine Geste. Als ich herausfand, dass ich in „unserem“ Regenwald nie einen Baum umarmen würde, war ich traurig.
Die symbolischen Urkunden der Umweltorganisationen konnten die massive Rodung des Regenwalds nicht verhindern. Heute existieren 10 Millionen Quadratkilometer Regenwald weniger als noch 1970. Geht die Abholzung in diesem Tempo weiter, bleiben uns 2070 nur noch 2 Millionen Quadratkilometer des einst grünen Gürtels unseres Planeten.
Die Konsequenzen sind uns heute schmerzlich bewusst. Ideen, wie der Abholzung wirkungsvoll begegnet werden kann, sind dennoch rar. Während Umweltschützer versuchen, Naturschutzgebiete durchzusetzen, sehen Unternehmen schnelle Renditen durch Tropenholz. Ein Kompromiss zwischen den Interessengruppen scheint – vorsichtig formuliert – schwierig.
Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz vertragen sich nicht. Oder doch?
Genau das macht den Ansatz der Waldmenschen besonders. „Wir haben mit dem globalen Problem angefangen und dann unsere Perspektive geändert“, erzählt Arne Knöchel (35), Vorstandsmitglied der Waldmenschen eG. „Der Umweltschutz war der Leitgedanke. Dann haben wir überlegt: Wie schaffen wir es, den Wald trotzdem wirtschaftlich zu sehen?“
Die Idee: Zunächst werden brachliegende Flächen oder Monokulturplantagen aufgekauft. In Zusammenarbeit mit Futuro Forestal, dem Partnerunternehmen in Panama, pflanzen die Waldmenschen dann einheimische Bäume. Nach einiger Zeit wird die erste Generation der Bäume „ausgedünnt“, und die nächste Generation Bäume gesetzt. In zwei Jahrzehnten entsteht auf diese Weise ein Wald mit drei Generationen Bäumen. Ein aufwändiges, aber nachhaltiges Forstprinzip – durch Futuro Forestal entwickelt – erhält den Wald als Lebensraum und nutzt ihn dennoch als Wirtschaftsfaktor. Ab einem bestimmten Alter des Waldes werden einzelne Bäume gefällt und sorgen so für eine Rendite. Arbeiter vor Ort verkaufen das Holz und pflanzen die nächsten Bäume an. Nachdem das Konzept stand, suchte das Waldmenschen-Team die passende Unternehmensform.
Ein Unternehmen für eine Bürgerbewegung
Die Arbeit der Waldmenschen finanziert sich durch Genossenschaftsanteile. Der Gedanke hinter einer Genossenschaft hat für Arne Knöchel von Anfang an gepasst. Heute, einige Monate nach der offiziellen Eintragung, haben die Waldmenschen bereits knapp 50 Mitglieder. „Nun werden wir zeigen, dass wir globale Probleme als Bürgerinitiative lösen können“, sagt Arne Knöchel zuversichtlich. 20.000 Genossenschaftsanteile wollen sie bis Ende 2022 verkaufen. Das entspricht 1000 Hektar Regenwald. „Schaffen wir das gemeinsam als Schwarm“, erklärt er, „haben wir unseren „Proof of Concept!“
Einen Anteil an der Genossenschaft gibt es für 1200 Euro. Der Betrag kann monatlich abgezahlt werden. Jeder Anteil entspricht etwa 55 gepflanzten Bäumen und steigt im Wert, je älter der Wald wird. Mit der Entnahme und dem Verkauf der ersten Bäume beginnt die Ausschüttung der Rendite an die Mitglieder.
Mehr als eine symbolische Urkunde
Außerdem ermittelt das Team unter den ersten 100 Genossenschaftsmitgliedern einen „Waldmeister“, der mit einer Begleitperson nach Panama fliegen darf, um die entstehenden Wälder zu besuchen. Und um ein paar Bäume zu umarmen, wenn gewünscht. Da kann eine symbolische Urkunde natürlich nicht mithalten.
Die Neubepflanzung bereits aufgegebener oder gerodeter Böden bewahrt einheimische Tier-, Pflanzen- und Insektenarten und leistet einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz. Gleichzeitig integriert das Konzept der Waldmenschen den Wirtschaftsfaktor so gut wie möglich. Nachhaltiger als verordneter Naturschutz von oben, und unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, schrieb Victor Hugo. Für die Idee der Waldmenschen könnte diese Zeit jetzt sein.