Wer sich Teilnahmeprojekte an den Pitches des Social Impact Labs näher ansieht, wird den Trend bestätigen, dass die meisten Startups einen deutschlandweiten oder sogar internationalen Service bzw. Vertrieb ansteuern. Mit steigender Tendenz v.a. durch online-basierte Vertriebskanäle.
Dagegen ist auch absolut nichts zu einzuwenden. Wachstumsfähige Unternehmen mit skalierbaren Geschäftsmodellen vergrößern die Reichweite des Social Impacts und haben eine größere Wahrscheinlichkeit Kapitalgeber zu finden.
Große Märkte erfordern jedoch einen erheblichen Kraftaufwand, der ohne professionelle Hilfe und mit nur knappen Ressourcen nicht so einfach zu stemmen ist. Das Risiko, sich im großen Getümmel nicht zu behaupten, ist jedoch da besonders groß, wo die Zielgruppen erst noch umständlich erreicht werden müssen. Ohne versiertes Startup-Wissen oder noch besser Mentoring sind internetbasierte Modelle kaum zu durchzusetzen.
Die besten Ideen liegen meistens vor der Haustüre
Dabei müssen gute Ideen nicht immer in der Ferne fruchten. Das beweist eine ganze Reihe von erfolgreichen Sozialunternehmen, welche sich auf einen ziemlich lokalen Markt, zumeist den nachbarschaftlichen, beschränken.
Nehmen wir z.B. Quartiersmeister, das Kiezbier aus Berlin, welches auch nur dort vertrieben wird und mit dessen Einnahmen kleinere lokale Projekte unterstützt werden. Genießen und unterstützen scheint vor allem da gut zu funktionieren, wo beides unmittelbar miteinander und vor Ort verbunden werden kann. Auch dieses Quartal konnten wieder drei Projekte mit jeweils über 900 Euro durch die Mikrobrauerei gefördert werden.
Ein direkt nachbarschaftlich funktionierendes Unternehmen, welches sogar internationales Ansehen genießt sind u.a. die Prinzessinnengärten. Erst durch sie ist ein breiteres Bewusstsein für das Urban Gardening in Deutschland entstanden und hat viele neue Dynamiken in Gang gesetzt. Mit ihrem starken öffentlichen Auftritt haben Sie es geschafft über die Grenzen ihres Stadtgebiets hinaus Beratungs- und Planungsaufträge zu erhalten und sich an die Front einer noch jungen aber entschlossenen Stadtgartenlobby zu stellen. Dass sie dabei ihrem relativ kleinen Gemeinschaftsgarten in Kreuzberg treu geblieben sind und hier immer noch den Gros ihrer Arbeit reinstecken, bringt ihnen viel Sympathien und Anerkennung.
Um noch ein Beispiel nicht aus Berlin anzuführen. Eine nahezu revolutionäre Idee um in dem kleinen Örtchen Barmen in NRW die Nahversorgung aufrecht zu erhalten hatte Heinz Frey mit seinem Dorv-Zentrum. Hier finden sich gebündelt Bäcker, Postschalter, Lebensmittelhandel, Bank, Café etc. Das Konzept umschließt auch ein kulturelles und nachbarschaftliches Angebot sowie regionale Kooperationen. Was recht einfach klingt, könnte die Teillösung einer ganzen Reihe von Problemthemen sein: Alternde Gesellschaft, Landflucht, Einzelhandelsmonopole. Mittlerweile sind in Deutschland 50 dieser Dorv-Zentren im Entstehen.
Es sind also die Local Changemakers, welche nicht nur einen hohen Grad an Innovationspotential beweisen, sondern oftmals kleine Erfolgsmodelle sind. Aber warum? Man müsste meinen, dass freiwilliger Fokus auf einen Ort oder eine Region, die Reichweite soweit beschränkt, dass das Unternehmen wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist und der soziale Mehrwert keine gesamtgesellschaftliche Veränderung birgt.
Aber wie so oft, liegt auch beim Social Entrepreneuring das Ferne oft so nah. Die Strukturen im eigenen Viertel in der eigenen Stadt sind bekannt, schließlich läuft man ja jeden Tag an ihnen vorbei. Man ist für die Verhältnisse und Bedürfnisse vor Ort bereits so stark sensibilisiert wie ein Stadtentwickler und findet hier eine ganze Menge Inspiration.
Und auch wenn Initiativen, welche mit Bauern, Schulen und Frauen in Entwicklungsländern arbeiten durchweg sehr wichtige Arbeit leisten, sollte man ein Unternehmen, welches plant mit fremden Kulturen und Systemen zu arbeiten, nicht unterschätzen. Denn man verläuft sich hier definitiv schneller in gut gemeinten Absichten und scheitert eher an den komplexen Zusammenhängen, die man auch dann nicht kennen kann, wenn man dort eine Weile gelebt hat.
Ganz anders ist es zu Hause, wo man genau sagen kann, wo die sozialen oder ökonomischen Defizite liegen, welche Ursachen sie haben, wie sie sich in absehbarer Zukunft entwickeln werden und was man dagegen tun kann.
(Autorin: Anna Rösch)