24.01.2018 – Das soziale Startup Carpe Vitam strebt die Lösung eines großen gesellschaftlichen Problems an: Die Isolation älterer Menschen.
„Im Alter erfahren Seniorinnen und Senioren eine Desintegration aus der Gesellschaft“, erklärt Gründer Sinan Can. „Vorher standen sie im Berufsleben, hatten Freunde und Familie um sich herum. Irgendwann können verschiedene Aktivitäten körperlich nicht mehr bewältigt werden. Ganz schleichend nimmt die Teilhabe an der Gesellschaft immer mehr ab.“ Traurig und vor allem unnötig, finden die Mitarbeiter des jungen Startup Carpe Vitam. Unter dem Motto „Selbstbestimmt zu Hause leben“ vermittelt das Team Helferinnen und Helfer, die ältere Menschen bei ihrem Alltag unterstützen, ihnen zur Hand gehen oder ihnen Gesellschaft leisten. „Wir decken keine Tätigkeiten in der medizinischen bzw. der Behandlungspflege ab; dafür sind die Krankenkassen und Pflegedienste da“, macht Sinan Can deutlich. „Unsere Alltagsengel bieten nur Grundpflege, wie Hilfe beim Anziehen oder Waschen, an. Vor allem ermöglichen sie durch das Abnehmen von Botengängen oder durch gemeinsame Freizeitaktivitäten, dass ältere Menschen weiterhin alleine wohnen können und sich dennoch nicht isoliert fühlen müssen.“
Faire Löhne, zufriedene Helfer, Möglichkeiten der Teilhabe
Die „Alltagsengel“, wie sie vom Unternehmen genannt werden, erstellen sich über die Website von Carpe Vitam ein eigenes Profil. Darin geben sie an, welche Dienste sie anbieten möchten. Die Angebote und die Bewerber werden geprüft. Mit der Hilfe des Teams von Carpe Vitam können Senioren die für sie passenden Helfer auswählen. Dabei ist ein gegenseitiges Kennenlernen und Ausprobieren wichtig und nötig. „Wir wollen erreichen, dass alle Seiten zufrieden sind: Unsere Seniorinnen und Senioren, aber natürlich auch unsere Alltagshelfer. Ein Spielraum zum gegenseitigen Kennenlernen ist da ganz wichtig“, sagt Sinan Can.
Aber nicht nur das Menschliche soll fair und transparent sein. Auch bei der Bezahlung gehen Sinan Can und seine Mitstreiter neue Wege. Die Alltagshelfer legen ihre Vergütung pro Stunde selbst fest, erhalten aber mindestens zwölf Euro. So möchte Gründer Sinan Can auch den Menschen gerecht werden, die zum Beispiel bereits eine Ausbildung im sozialen Bereich haben oder sich auf langjährige Erfahrungen berufen können. Auch eine Beteiligung am Unternehmen selbst ist für interessierte Helferinnen und Helfer möglich.
Wachstumspläne nach zweitem Platz bei der Startup Con
Das Unternehmen, das vor kurzem bei der Startup Con in Köln den zweiten Platz belegen konnte, ist derzeit noch lokal im Raum Heidelberg unterwegs. Eine Vergrößerung nach Mannheim ist bereits geplant. Eine Automatisierung von Anmelde- oder Vermittlungsprozess, um schnell auch überregional tätig zu werden, wird bei Carpe Vitam angestrebt. Jedoch soll auch der so wichtige Offline-Prozess erhalten bleiben. „Unsere Kunden sind unter anderem deshalb so zufrieden, weil wir uns die Zeit nehmen, die richtigen Menschen zusammen zu bringen. Das wollen wir als unsere große Stärke auch beibehalten, wenn wir wachsen“, erklärt Sinan Can.
Das Angebot des Social Startup ist nicht nur für die ältere Generation interessant. Auch jüngere Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Familien könnten von der Vermittlung der Alltagsengel profitieren. Im Fokus aber stehen für Sinan Can aktuell die Senioren: „Unsere älteren Mitmenschen haben so viel Erfahrung und Wissen, das sie kaum mehr weitergeben. Weil unsere Gesellschaft so tut, als sei der Mensch nur in seinem Erwerbsalter interessant. Diesen falschen Blick auf die Menschen möchte ich ändern.“
Alle Bilder von Carpe Vitam