23.08.2017 – Die Bürgerwerke, ein Zusammenschluss verschiedener Energiegenossenschaften und letztjähriger Gewinner des „Next Economy Award“, empfingen im Juli Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Deutschen Bundestag. Gemeinsam sprachen sie über die Zukunft der erneuerbaren Energien in Deutschland.
Über eine Million Menschen in Deutschland erzeugen selbst Energie. Über 900 Energiegenossenschaften gibt es aktuell. 70 sehr aktive Genossenschaften sind bereits bei den Bürgerwerken. Das Unternehmen vertreibt den ökologisch produzierten Strom der Genossenschaften, leitet die Einnahmen an die Genossenschaften weiter und kümmert sich um alle Aufgaben eines Energieversorgers, wie zum Beispiel den Kundenservice. Darüber hinaus bieten die Bürgerwerke den Genossenschaften ein wertvolles Netzwerk. Die Mitglieder tauschen sich über neue Projekte aus, finden gemeinsam Lösungen oder helfen sich mit ihren Erfahrungen.
Für die Energiewende begeistern
Neben diesen Tätigkeiten übernehmen die 2013 gegründeten Bürgerwerke viele kommunikative Aufgaben. Den Vorständen Felix Schäfer und Kai Hock ist es wichtig, das Thema erneuerbare Energien deutschlandweit voranzubringen. „Wir gehen mit den Bürgern in den Diskurs, motivieren sie und begeistern sie für eigene Projekte“, erklärt Felix Schäfer im Gespräch mit Anton Hofreiter. „Es gibt Menschen, die realisieren nach einem Austausch mit uns eigene Lösungen – das begrüßen wir. Schließlich wollen wir die Energiewende insgesamt vorantreiben und zeigen, was wir alle zusammen mit dezentralen Lösungen bewirken können“.
Dezentrale Lösungen für ökologische Stromerzeugung, das bedeutet: Ökologischer Strom wird in kleinen Anlagen produziert und idealerweise auch vor Ort verbraucht. In einem Pilotprojekt der „Weiler Wärme“ liefern zum Beispiel Solaranlagen Strom für eine Carsharing-Flotte – nur eine der Maßnahmen im umweltfreundlichen Gesamtkonzept zu Energie- und Wärmeversorgung der Genossenschaft „Weiler Wärme“. „Diese Projekte haben richtungsweisenden Charakter, weit über Standardlösungen hinaus“, erläutert Kai Hock.
Einmal umdenken, bitte!
Bei der Realisierung solcher Projekte in den Genossenschaften wird Erzeugung und Verbrauch von vorne herein zusammen gedacht. Felix Schäfer fasst das wie folgt zusammen: „Wir fragen uns erst einmal, wie der erzeugte Strom direkt an die Verbraucher gehen kann. Und wir fragen die potentiellen Verbraucher: Wollen wir klare Beziehungen zu den Erzeugern haben?“ Diese Frage ermöglicht ein Nach- und Umdenken und stößt viele Entwicklungen an, wissen die Gründer der Bürgerwerke.
An diesem Tag steht aber eine andere Frage im Vordergrund, und zwar die Frage nach der künftigen politischen Entwicklung. „Unsere derzeitige Politik unterstützt die dezentrale Stromerzeugung nicht, weil sie dem Konzept nicht vertraut“, sagt Anton Hofreiter. „Sie sorgen sich, dass die Kontrolle über die Stromerzeugung der Politik entgleitet beziehungsweise eine eigene Wertschöpfungskette entsteht.“ Die Bedenken teilt der Grünen-Politiker nicht, vor allem da genau diese Entstehung längst Realität ist:
„Mir war nicht bewusst, wie stark die regionalen Ausweichbewegungen trotz der aktuellen Politik sind, und wie gut organisiert dezentrale Lösungen schon jetzt sind“, erklärt Anton Hofreiter am Schluss des Gesprächs. Er bezeichnet die vorgestellten Projekte der Genossenschaften als „kreative Auswege trotz falscher Politik“. Kai Hock und Felix Schäfer hören das gerne. Sie sehen in der größtenteils ehrenamtlichen Arbeit der Genossenschaften auch einen Beleg für eine engagierte und starke Zivilgesellschaft.
Die zukünftige Ausrichtung der Politik? Bleibt abzuwarten …
Eine wichtige Frage der beiden Gründer an den politischen Vertreter aber bleibt unbeantwortet. Es ist die Frage nach der künftigen Ausrichtung der Politik, die Frage nach einem besseren politischen Rückhalt für dezentrale Lösungen, für Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften. „Die Abgaben auf selbsterzeugten Strom sind derzeit zu hoch“, berichtet Felix Schäfer dazu. „Damit ist es finanziell wenig attraktiv, regionale Lösungen umzusetzen. Wir brauchen einen neuen Rechtsrahmen für einen dezentralen Strommarkt“. Könnte eine Lösung in einem EU-weiten Recht auf Selbstversorgung liegen? Kai Hock hält das für möglich, sieht aber keine Mehrheit in der Politik. Anton Hofreiter stellt klar: „Wir müssen den politischen Vertretern deutlich machen, dass die Zukunft der Stromerzeugung auf jeden Fall dezentral ist“, sagt Anton Hofreiter. „Und wir brauchen ein neues, dezentrales Design des Energiemarktes, das die Realität besser abbildet“. Der letzte Einwurf von Felix Schäfer ist ein Appell an den Grünen-Politiker: „Wir tun hier vor Ort, was wir können, aber wir brauchen einen Abbau von politischen Hürden. Wir brauchen Ihren Fuß in der Tür.“
Weitere Informationen:
In diesem aktuellen Interview gibt Laura Zöckler von den Bürgerwerken persönliche und informative Einblicke in die Arbeit des Teams. Für die Rhein-Neckar-Zeitung berichtete Sebastian Riemer über den Besuch des Grünen-Politikers bei den Bürgerwerken.