Die Rolle, welche die HR-Arbeit für die Umsetzung der eigenen Ideen einnehmen kann, wird von den meisten Start-ups völlig unterschätzt – auch wenn den Gründern durchaus bewusst ist, dass das Team ein entscheidender Faktor für Erfolg oder Misserfolg ist.
Anreize für gutes Fachpersonal
Dementsprechend wird die Personalakquise in Jungunternehmen eher stiefmütterlich behandelt und nur nebenbei „abgearbeitet“, da das operative Tagesgeschäft auf den ersten Blick wichtiger erscheint. Besonders bei Start-ups beschränken sich daher die HR-Aufgaben eher auf eine sporadische Personalsuche neuer Mitarbeiter und eine damit verbundene, unkoordinierte, schnelle Einarbeitung. Auf der Strecke bleiben meist wichtige Punkte wie die Prägung einer Unternehmenskultur, einer strukturierten Kommunikation und damit die Bindung des neuen Mitarbeiters.
Somit fehlt schon von vornherein eine feste Basis für Zufriedenheit und gegenseitiges Verständnis. Kann der neue Mitarbeiter die Ziele, Visionen und die Unternehmenskultur nicht klar erkennen, sind die ersten Probleme bereits vorprogrammiert. Eine dem Grunde nach sehr gute Idee kann so trotzdem scheitern. Als Ursache wird dann meist das fehlende Commitment der Mitarbeiter ausgemacht, jedoch ohne Selbstreflexion, warum sich dieses nicht entwickelt hat.
Bei vielen Start-ups treten die ersten Probleme aber bereits viel früher auf: Passendes Personal zu finden und für sich zu gewinnen wird immer schwieriger. Beim Kampf um die besten Köpfe können Jungunternehmen bei den Gehaltsforderungen nicht mit den großen, etablierten Unternehmen konkurrieren. Es müssen folglich andere Anreize geschaffen werden, mit denen Start-ups als Arbeitgeber überzeugen. Andernfalls werden das eigene Wachstum und die Entwicklung abgebremst. Spätestens wenn die typischen Alltagsprobleme in Neugründungen Einzug halten, ist eine strategische Personalplanung und –akquise unausweichlich. Die folgenden Punkte sollten dabei unbedingt beachtet werden:
Schaffen einer eigenen Unternehmenskultur
Um mit der Unternehmenskultur bei Bewerbern zu punkten ist es wichtig, klare Ziele und Visionen des Unternehmens zu definieren, Unternehmenswerte zu entwickeln und den Verhaltensrahmen abzustecken – sprich, wie man gedenkt, seine Ziele zu erreichen. Es empfiehlt sich in jedem Fall, die Unternehmenswerte von den Erfolgsfaktoren abzuleiten.
Besonders bei Bewerbern der sogenannten Generation Y gibt das Betriebsklima als ein wesentliches Auswahlkriterium für die Wahl des Arbeitgebers. Geschätzt wird eine Arbeitsumgebung, die das Teamwork fördert und Respekt und Vertrauen in die Leistungen der Mitarbeiter entgegenbringt. Da vor allem in der Anfangsphase von Jungunternehmen vieles von der Motivation der Mitarbeiter abhängt, sind gute, soziale Beziehungen immens wichtig. All diese Punkte sind in der Unternehmenskultur verankert.
Zielgerichtete Personalakquise
Ein weiterer Vorteil der festen Definition der eigenen Unternehmenswerte ist die zielgerichtete Personalsuche. Denn diese Werte definieren wiederum automatisch, nach welchen Fähigkeiten, Erfahrungen und auch Positionen tatsächlich gesucht wird. Man vermeidet dadurch ein übermäßiges Personalwachstum und Fluktuation aufgrund der Rekrutierung von Mitarbeitern, die nicht zum Unternehmen passen. Weiterhin ist es besonders wichtig, auch bei der Mitarbeiterakquise innovative Wege zu gehen, um einen Ausgleich zur fehlenden Bekanntheit zu schaffen.
Die zielgerichtete, strategische Mitarbeiter-Akquise macht natürlich nur dann Sinn, wenn im Weiteren auch die Mitarbeiterbindung sichergestellt werden kann. Ständig neue Mitarbeiter zu rekrutieren und einzuarbeiten, kann sich kaum ein Unternehmen auf Dauer leisten. Die folgenden Punkte sollte man für die Mitarbeiterbindung nutzen:
- Absicherung der Mitarbeiterentwicklung.
- Teambuilding–Maßnahmen als „Entschädigung“ für die harte, konzentrierte Arbeit. Weiterer positiver Effekt: Sie schweißen das gesamte Team besser zusammen und schaffen eine positive Arbeitsatmosphäre.
- Offene und transparente Kommunikation: Meist sind fehlender Informationsaustausch und Intransparenz Auslöser für Unzufriedenheit. Es sollte also gleich zu Beginn auf eine offene, interne Unternehmenskommunikation Wert gelegt werden. Weiterhin ist heutzutage Kommunikation auf Augenhöhe ein ausschlaggebendes Erfolgskriterium.
Folgende Punkte sorgen für ein Plus für Start-ups:
Kreative, offene Unternehmenskultur
Auch wenn Konzerne weiterhin in Sachen hohe Gehälter, Status und Sicherheit die Nase vorn haben, können Start-ups und mittelständische Unternehmen besonders bei jungen Fachkräften der Generation Y punkten, nämlich mit verantwortungsvollen Aufgaben, Dynamik und steilen Lernkurven. Immer mehr Arbeitnehmern ist Verantwortung, Kommunikation auf Augenhöhe und persönliche Entwicklungsmöglichkeit wichtiger als der Status und die Hierarchieebene.
Direkt dahinter folgen Werte wie Work-Life-Balance oder auch ortsungebundenes Arbeiten, Gleitzeit- und Home-Office-Möglichkeiten.
Work-Life-Balance vs. Work-Life-Integration
Die Forderung der jüngeren Arbeitnehmergeneration nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance ist mittlerweile auch in den großen Konzernen hinlänglich bekannt. Doch es geht den potenziellen Mitarbeitern um weit mehr als das: Die Balance zwischen Arbeit und Freizeit impliziert auch immer, dass das eine negativ und das andere positiv behaftet ist. Es geht folglich mehr um eine Work-Life-Integration, also ein ganzheitliches Denken, das Unternehmen auf die Menschen auszurichten, die dahinter stehen und nicht nur die abstrakten Arbeitnehmer.
Flexible Arbeitsmodelle
Für potenzielle Mitarbeiter werden Arbeitsmodelle immer wichtiger, die sich flexibel an die privaten Umstände wie etwa Familienplanung oder auch Wohnortwechsel anpassen lassen. Start-ups und KMUs sollten also auf ihre Flexibilität setzen und mit Lösungen für die geänderten Werte der Generation Y aufwarten, wie etwa durch Teilzeitregelungen oder die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten oder auch durch die Finanzierung eines Krippenplatzes. Damit haben sie bei der Rekrutierung neuer Fachkräfte tatsächlich einen sehr guten Stand.
Die aktuelle Entwicklung lässt auch erkennen, dass heutzutage die Einstellungen des Einzelnen und dessen persönliche Potenziale die Unternehmenskultur direkt mit beeinflussen und mitgestalten. Dies lässt sich natürlich eher in kleineren Unternehmen und speziell in Start-ups umsetzen als in großen Organisationen.
Gute Chancen für Start-ups
Klar definierte Ziele, eine einheitliche, offene und transparente Unternehmenskultur und –kommunikation, Flexibilität sowie Aussicht auf persönliche Weiterentwicklung sind wichtige Faktoren, um Leistungsträger für sich zu gewinnen, selbst wenn man zunächst nicht mit hohen finanziellen Anreizen aufwarten kann. Setzt man nun diese Punkte passend und ganzheitlich in seinem Unternehmen um, schafft man damit nicht nur eine sehr gute Voraussetzung für ein erfolgreiches Recruiting, sondern gleichzeitig für eine bessere Führung, die dann auch in Zeiten von Unsicherheit und Krisen die Umsetzung der Unternehmensziele und Visionen gelingen lässt.
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Klaus Becker ist Geschäftsführer der 2002 gegründeten Personalberatung Becker + Partner. Vor seiner Tätigkeit als Personalberater war er über 18 Jahre als Führungskraft in nationalen und internationalen Unternehmen der mittelständischen Industrie mit bis zu 1.800 Mitarbeitern tätig. Die leitenden Beschäftigungen umfassten die Bereiche Rationalisierung, Werkscontrolling und Betriebsorganisation.
Klaus Becker absolvierte nach seiner Ausbildung in der Industrie ein technisches und betriebswirtschaftliches Studium mit den Schwerpunkten Industrial Engineering und Betriebspsychologie.