Wenn es um die Startup-Finanzierung geht, so stehen viele Gründer vor einem Problem, da vergleichsweise nur wenige Investoren dazu bereit sind, in junge Unternehmen zu investieren. Noch schwieriger haben es Sozialunternehmen. Investoren in diesem Bereich sind noch seltener anzutreffen. Der Social Venture Fund möchte diese Finanzierungslücke nun schließen. Arne Kröger, Analyst beim Social Venture Fund, stellt seinen Arbeitgeber in einem Interview vor.
Herr Kröger, worum handelt es sich eigentlich beim Social Venture Fund?
Der Social Venture Fund ist ein Fonds, der ausschließlich in Unternehmen investiert, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, dringende soziale Probleme zu lösen. Sozialunternehmen also. Mit diesem Kapital soll eine Finanzierungslücke geschlossen werden, die bisher für Unternehmen aus diesem Bereich bestand.
Klassische Investorengesellschaften sind in der Regel nicht dazu bereit, in Sozialunternehmen zu investieren, da 1. sie eine möglichst hohe finanzielle Rendite erwarten, 2. Sozialunternehmen nicht genügend Sicherheiten vorweisen können, 3. klassischen Investoren oftmals die Expertise für den sozialen Sektor fehlt. Mit dem Social Venture Fund verfolgen wir im Gegensatz zu den traditionellen Investoren das Ziel, eine möglichst hohe soziale Rendite zu „erwirtschaften“. Das eingesetzte Kapital wird dabei „recycelt“. Recyceln heißt konkret, dass wir das eingesetzte Kapital zurückerhalten möchten und weiter investieren können.
Sie haben sich eben vom klassischen Venture Capital abgegrenzt. Was genau ist denn der Unterschied zwischen klassischem Venture Capital und Social Venture Capital?
Nun, wie ich schon sagte: Beim klassischen Venture Capital geht es hauptsächlich darum, aus dem investierten Kapital eine möglichst hohe finanzielle Rendite zu schlagen. Beim Social Venture Capital möchte ein Investor dagegen primär eine hohe soziale Rendite erreichen. D.h., die soziale Wirkung eines Sozialunternehmens soll möglichst stark gehebelt werden, damit sie so viele Menschen wie nur möglich erreicht. Eine kleine Rendite erhalten Sozialinvestoren zwar auch, aber diese ist geringer als eine übliche Forderung seitens der klassischen Venture Capitalists.
Können Sie etwas zur Struktur des Social Venture Fund sagen?
Der Social Venture Fund besteht aus zwei rechtlich selbstständigen Einheiten: Der Social Venture Fund GmbH & Co. KG und der Social Venture Management GmbH. Die GmbH & Co. KG ist die eigentliche Investitionsgesellschaft, also der „Topf“, in dem sich das zur Verfügung stehende Investitionskapital befindet. Dorthin fließt das Geld, das von privaten bzw. institutionellen Investoren kommt. Die Management GmbH ist die Gesellschaft, die für das Investitionsmanagement verantwortlich ist. D.h., dort werden die Investitionen durch unsere Mitarbeiter verwaltet und in Abstimmung mit dem Investment Komitee die Investitionsentscheidungen getroffen.
Wie finanziert sich der Social Venture Fund?
Wir sehen uns ebenfalls als Sozialunternehmen und sind deshalb nicht darauf aus, ein großes Geschäft aus unseren Investments zu schlagen. Jedoch müssen wir natürlich mindestens unsere Kosten decken. Das geschieht dadurch, dass die GmbH & Co. KG als Investitionsgesellschaft eine Verwaltungsgebühr an die GmbH zahlt, von der z.B. unsere Mitarbeiter bezahlt werden. Die GmbH & Co. KG generiert wiederum Einnahmen aus den Beteiligungen an den Sozialunternehmen.
Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um Ihre Unterstützung zu bekommen?
Die wichtigsten Kriterien sind:
- Soziale Wirkung, d.h. die Lösung von gesellschaftlichen Problemen muss im Vordergrund stehen
- Die Sicherstellung der finanziellen Tragfähigkeit, damit die Rückzahlung des Investitionskapitals möglich ist
- Skalierbarkeit der sozialen Wirkung
- Die Idee sollte innovativ sein
Wie läuft der Bewerbungsprozess in der Regel ab?
Zunächst einmal sollten uns interessierte Unternehmen eine schriftliche Zusammenfassung ihres Vorhabens im Rahmen eines Erstkontaktes zusenden. Diese Zusammenfassung sollte die wichtigsten Informationen zur Geschäftsidee bzw. ihrer Umsetzung enthalten. Im nächsten Schritt – wenn uns die Zusammenfassung überzeugt – fordern wir einen detaillierteren Businessplan an. Sollte uns auch dieser überzeugen, folgen persönliche Gespräche und die klassische Due Diligence Prüfung, wobei diese an die Rahmenbedingungen bei Sozialunternehmen angepasst ist. Erst wenn diese abgeschlossen ist, treffen wir eine Investitionsentscheidung. In der Regel dauert dieser ganze Prozess einige Monate.
Können Sie etwas zu den Bewerbungszahlen sagen? Ist hier ein Trend zu erkennen?
Aktuell erhalten wir etwa drei bis sechs Anfragen pro Woche – Tendenz steigend. Es scheint so zu sein, dass das Bewusstsein für Social Entrepreneurship stetig ansteigt. Was uns besonders positiv aufgefallen ist, ist, dass sich auch mehr und mehr junge Menschen für Sozialunternehmertum interessieren. Es wächst also eine neue Generation heran, die diese Form von Unternehmertum als Alternative zum klassischen Entrepreneurship anerkennt.
In wie viele Sozialunternehmen haben Sie bereits investiert? Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Bisher haben wir in fünf Unternehmen investiert. Eines der Unternehmen, in das wir investiert haben, ist beispielsweise „Verbavoice“. Verbavoice hat es sich zum Ziel gesetzt, Hörgeschädigten auf eine innovative Art und Weise den Alltag zu vereinfachen, indem es unter anderem einen Echtzeit-Ferndolmetschdienst anbietet.
Ein anderes Investitionsbeispiel ist „Auticon“. Auticon möchte IT-Unternehmen die besonderen Fähigkeiten von sogenannten Asperger-Autisten zur Verfügung stellen. Autisten gelten in der Regel als sehr unkommunikativ, da sie häufig in ihrer eigenen Welt leben, weshalb es für Menschen mit Autismus kaum möglich ist, beruflich tätig zu sein. Auf der anderen Seite besitzen sie außergewöhnliche Talente, die ungenutzt bleiben. Auticon möchte diese Talente sinnvoll zum Einsatz bringen und den autistisch Veranlagten eine Beschäftigung in einem bedarfsgerechten Arbeitsumfeld ermöglichen – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Welche Zukunft schreiben Sie dem Sozialunternehmertum zu? Glauben Sie, dass das Potenzial für diese Form des Unternehmertums bereits ausgeschöpft ist?
Ich glaube, dass dem Social Entrepreneurship noch eine sehr gute Zukunft bevorsteht. Sozialunternehmertum ist meiner Ansicht nach die wirksamste Methode, um gesellschaftliche Probleme zu lösen, denn die Nutzung von Marktmechanismen ermöglicht eine langfristig nachhaltige Entwicklung eines Sozialunternehmens. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass Vorhaben, die nur auf Spenden basieren, mit zeitlich begrenzten Zahlungen, oftmals auf jährlicher Basis oder projektbezogen, konfrontiert sind und die Verwendung der Spenden in der Mehrheit der Fälle zweckgebunden ist.
Es werden sich deshalb auch immer mehr Regierungsinstitutionen diese Art von Unternehmertum engagieren und entsprechende Rechtsstrukturen schaffen. Wohlfahrtsorganisationen tendieren ebenfalls öfter dazu, innovative Projekte aufzubauen.
Zudem hat der Social Venture Capital Markt noch viel Potenzial und wird sich weiterhin positiv entwickeln. Das Potenzial ist hier also noch lange nicht ausgeschöpft.
Würden Sie zum Abschluss noch etwas über sich selbst sagen?

Ich war schon immer von sozialen Themen sehr bewegt. Während meines BWL-Studiums habe ich drei Monate in einem Entwicklungsprojekt in Sri Lanka gearbeitet. Hier stellte ich bereits fest, dass spendenbasierte Finanzierungsmodelle nur begrenzt funktionieren. Daraufhin schrieb ich meine Diplomarbeit über Einkommensstrategien von Sozialunternehmen.
Seit Januar 2010 bin ich beim Social Venture Fund als Analyst tätig und promoviere daneben im Bereich Social Entrepreneurship, insbesondere Impact Measurement, an der Leibniz Universität Hannover.
Ein Kommentar
Es wäre schön im Rahmen solcher „Interview“ zu erfahren, wie hoch die Management Gebühren sind, die hier z.B die Management GmbH dem „Topf“ in Rechnung stellt und wie hoch die Belastung für die Sozialunternehmen ist, z.B. wie hoch der Zinsatz ist, der im Falle eines Darlehens berechnet wird. Erfahrungsgemäss sind beide Faktoren so erheblich, dass die Sozialunternehmen damit nur schwer wirtschaften können.
Vielen Dank