Das Image von Schülerfirmen ist eingestaubt. Daher bezeichnet sich das junge Team von RECONICE lieber als Schüler:innen-Startup. Mit ihrem Modelabel beweisen sie, dass Social Entrepreneurship nicht erst an der Uni auf dem Lehrplan stehen sollte.
Tipps aus Ratgebern für die Gründung von Schülerfirmen werden bei RECONICE stets hinterfragt. Statt strikt getrennter Aufgabenbereiche, arbeiten die Jugendlichen in flexiblen Teams je nach ihren Stärken und Interessen. Überholte Wirtschaftsmodelle spielen keine Rolle. Anstatt Profite zu erwirtschaften, möchten die Schüler:innen der Nelson-Mandela-Schule lieber gesellschaftliche Probleme angehen – und davon gibt es in ihrem Stadtteil einige. „Ich verbinde Nachhaltigkeit eigentlich nicht mit Wilhelmsburg“, erklärt der beteiligte Schüler Peer, „aber ich finde, dass Wilhelmsburg nachhaltiger sein sollte.“
Von den 17 Nachhaltigkeitszielen zum Businessplan
Anfangs haben sich die Schüler:innen mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) beschäftigt. Schnell entstand die Idee, selbst aktiv zu werden und eine lokale Aktion zu starten. In einem Workshop mit Linda Plath von der Bildungsinitiative SEEd entwickelten sie ein Geschäftsmodell zur Vermarktung einer nachhaltig produzierten Tasche. Besonders kreativ war das Team bei der Namensfindung. Es ist kein Zufall, dass ihre Wortneuschöpfung wie das englische Wort recognize klingt. „Der Name RECONICE passt“, erklärt Schülerin Sara, „denn die Menschen sollen erkennen, dass wir etwas auf der Welt verändern müssen. Sie sollen erkennen, dass Nachhaltigkeit nicht nur Umweltschutz ist. Sie sollen erkennen, dass die Menschen auch etwas verändern können, wenn sie es wollen.“ Gemeinsam mit dem Grafiker und Illustrator Simon Badt haben sie ein ebenso tiefgründiges Logo entworfen. Die abstrakte Formgebung erinnert an die übliche Darstellung der SDGs und spiegelt die Philosophie des jungen Start-ups wider.
Produziert wird unter fairen Bedingungen vor Ort
Das erste Produkt ist eine 2-in-1 Tasche, die konsequent nachhaltig produziert wird. Vom ersten Designentwurf bis zum fertigen Prototypen wurden die Schüler:innen vom Team des Upcycling-Labels Bridge&Tunnel begleitet. Das Besondere an dem Unternehmen ist nicht nur der Produktionsstandort Deutschland, sondern der soziale Mehrwert: Gefertigt werden die Produkte von gesellschaftlich benachteiligten Menschen, die hier die Chance bekommen, ihr handwerkliches Geschick anzuwenden. Das Team von RECONICE durfte in der Produktionsstätte selbst Hand anlegen. So bekamen die Jugendlichen ein Gefühl dafür, wie viel Arbeit in ihrem Produkt steckt. Im neuen Jahr soll die Tasche dann in Serie produziert werden.
Mit digitalen Tools zur echten Gründung
Der Einsatz digitaler Medien spielt bei der Vermarktung eine besondere Rolle. Während manche Schüler:innen Inhalte für die sozialen Medien gestalten, führen andere eine digitale Umfrage zur Erforschung der Zielgruppe durch. Ein besonders wichtiger Meilenstein war die Freischaltung der Crowdfunding-Kampagne auf www.startnext.de/reconice. Bei der Konzeption erhielten die Schüler:innen Unterstützung von Elisa Bodenstab, die auf diesem Wege bereits das Umweltquiz Ökofuzzi von BLAUER LEBEN erfolgreich finanziert hat. Technische Unterstützung bei der Produktion des Pitch-Videos gab es von Jendrik Hauschildt, der sich im Rahmen seines Studiums für das Projekt engagiert. Dort präsentieren sich die Jugendlichen selbstbewusst und voller Tatendrang. Die Schülerin Osamuyi bringt die Motivation des Teams auf den Punkt: „Wenn wir nichts machen und uns immer nur auf andere Menschen verlassen, dann kann es sein, dass wir in einer Zukunft leben werden, die wir nicht wollen.“
Wer steckt hinter den Kulissen von RECONICE?
Können Minderjährige ein reales Start-up gründen? Jein – eine Schülerfirma hat keine eigene Rechtsform, sondern stets Projektcharakter. Im Fall von RECONICE liegt die Trägerschaft aktuell bei der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) Landesverband Hamburg e.V. und wird gefördert vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) sowie der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU). Noch in der ersten Jahreshälfte 2021 soll ein Guide entstehen, der praktische Tipps zur Umsetzung vergleichbarer Projekte an anderen Schulen enthält. Dieser wird dann auf www.reconice.de kostenlos zur Verfügung stehen.
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