Derzeit gibt es im Bereich Startup-Finanzierung fast kein größeres Thema als Crowdfunding. Es gibt bereits zahlreiche Plattformen und noch mehr Projekte und Startups, die auf diesen um die Gunst der Investoren buhlen. Unter Social Impact Finance bündelt die Social Impact gGmbH ihre Beratungs- und Qualifizierungsangebote für Social Startups im Bereich Finanzierung. Dazu gehört auch Crowdfunding. Zu diesem Thema führten wir ein Interview mit Danilo Kamrad.
Hallo Danilo, erzähle uns doch zunächst mal etwas über Dich.
Gerade bin ich auf dem Weg nach München, aber dazu gleich mehr… Seit Januar berate ich die von Norbert Kunz gegründete Social Impact gGmbH bei der Durchführung ihrer Programme für Social Startups. Davor habe ich einige Jahre bei betterplace.org gearbeitet, und dort in einem wunderbaren Team, ein Social Startup zu einem erfolgreichen Sozialunternehmen aufgebaut. Diese Aufbauzeit mit all ihren Höhen und Tiefen hat mich sehr geprägt und deshalb hat es mich gereizt, meine Erfahrungen für eine gewisse Zeit, an die Gründer von Social Startups weiterzugeben – weniger primär als fachlicher Berater, eher als Mentor, Ratgeber und Begleiter.
Besonders liegen mir dabei Startups am Herzen, deren Geschäftsmodelle zumindest mittelfristig unabhängig sein wollen von Spenden und Zuwendungen, die radikal Bestehendes in Frage stellen. Die im besten Sinne disruptiv und gemeinwohlorientiert sind. In den letzten 10 Monaten habe ich mehr als 100 Startups in ganz Europa kennengelernt, tolle Teams und faszinierende Ideen gesehen. Das ist natürlich ein großes Privileg und sehr inspirierend.
Damit wir zukünftig noch mehr solcher Geschäftsmodelle haben, vergibt Social Impact gemeinsam mit SAP ein insgesamt achtmonatiges Stipendium für Social Startups in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Das Stipendium heißt „Social Impact Start“. Deshalb bin ich gerade auf dem Weg nach München, um den Fortschritt dieser Startups in den letzten vier Monaten zu bewerten.
Social Impact Finance ist eine neue Crowdfunding Plattform für Social Startups. Was ist eure „Mission“ und wie hebt ihr euch von anderen Plattformen ab?
Unter dem Namen „Social Impact Finance“ bündeln wir zunächst all unsere Beratungs- und Qualifizierungsangebote für Social Startups im Bereich Finanzierung. Die Startups erhalten beispielsweise im Rahmen von Social Impact Finance, das wir in Partnerschaft mit der Deutschen Bank Stiftung durchführen, die Gelegenheit, verschiedenste Arten von Crowdfunding auszuprobieren und sich so neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Dabei ist uns die genutzte Plattform erst einmal egal.
Für die, wo es passt, bieten wir aber einen gleichnamigen Social Impact Finance-Bereich auf startnext an. Dieser Bereich ist für die Bedürfnisse von Social Startups optimiert und ein von uns betreuter Kanal. Die „Plattform“ ist also eher ein eigenständiger Lern- und Experimentierbereich für uns und die Startups, den wir zusätzlich in unseren eigenen Netzwerken vermarkten. Das ist ein wie ein zusätzliches Gütesiegel, da wir sehr nah dran sind an den Startups und sie aus der täglichen Arbeit kennen. Bisher funktioniert das sehr gut für uns.
Crowdfunding ist in aller Munde: Mit bettervest gibt es sogar ein führendes Social Startup in der Branche. Meinst du Crowdfunding hat sich als feste Finanzierungsalternative bereits etabliert?
Ich denke schon. Mit betterplace.org haben wir versucht, online viele kleine Beträge von Unterstützern einzusammeln. Diese konnten gemeinsam dann Großes bewegen und das macht Crowdfunding aus. Als Gegenleistung gab es direktes Feedback aus den sozialen Projekten und das Versprechen von Transparenz. Dieser Ansatz hat die Spendenkultur in Deutschland verändert, die Plattform wächst stetig und hat sich im Spendensektor etabliert.
Später kam dann mit Plattformen wie startnext aus der Kultur-und Kreativszene der Ansatz des Reward-basierten Crowdfunding hinzu, also kleine „Dankeschöns“ als Gegenleistung anzubieten. Damit assoziieren die meisten Leute heute Crowdfunding. Spenden dürfen per Gesetz keine Gegenleistung haben, deshalb war das eine perfekte Ergänzung zu unserer Philosophie bei betterplace.org. Auch startnext ist mittlerweile eine feste Säule im Kultur- und Kreativbereich geworden.
Später kamen dann noch equity oder quasi-equity based Crowdfunding dazu, etwa mit partiarische Nachrangdarlehen. Internationale Plattformen treten in den deutschen Markt. Neue Plattformen besetzen bestimmte Themen, wie z.B. bettervest oder haben eher regionale Ansätze. Der Markt entwickelt sich also stetig weiter und es werden neue Investorengruppen erschlossen.
Noch ist zumindest mir unklar, in welche Größenordnungen wir uns im Bereich Social Startups in Deutschland entwickeln können und ob wir es zum Beispiel schaffen, hybride Finanzierungsinstrumente, das heißt eine Mischung aus Spenden und z.B. Darlehen zu entwickeln. Auch genossenschaftliche Modelle würde ich gern noch mehr sehen.
Momentan starten allein aus unserem Programm 1 bis 2 Kampagnen im Monat, die zwischen 20 und 120 TEUR einnehmen. Sehr positiv überrascht hat uns die überwältigende öffentliche Wahrnehmung der bisher von uns begleiteten Kampagnen. Der Mediawert für z.B. „Original Unverpackt“ liegt sicher im Bereich von mehreren Millionen EUR.
Wir stehen also erst am Anfang einer Lernkurve, aber die Signale sind recht positiv, würde ich sagen. Auch das Scheitern von Projekten wird dazu gehören und wird eine wichtige, notwendige Lernerfahrung sein.
Die Bundesregierung hat vor kurzem ein Gesetzesentwurf für das „Kleinanlegerschutzgesetz“ veröffentlicht. Wird die Innovationskraft der Crowdfunding-Szene dadurch beeinträchtigt?
Ich bin kein Experte in diesem Bereich. Dennoch würde ich sagen, dass jeder verstehen kann, dass der Schutz von Anlegern ein natürlich berechtigtes Anliegen ist. Anlegern muss klar sein, dass sie sich in einem Bereich bewegen, der mit hohen Risiken behaftet ist. Da sollte aus meiner Sicht der gesunde Menschenverstand als Kompass ausreichen. Vielleicht eine Anekdote dazu: Zur Diskussion des Entwurfes war ich vor ein paar Monaten zu einer Podiumsdiskussion in Brüssel eingeladen. Dort haben zumindest die Vertreter der Crowdfunding-Plattformen darauf hingewiesen, dass sie aktuell die Risiken für Anleger eher im Bereich der klassischen Banken sehen. Die Befürchtung der europäischen Plattformen war eher, dass kickstarter und andere, ähnlich wie zuvor Facebook und Co, den deutschen und europäischen Mark im Handstreich übernehmen könnten.
Crowdfunding ist mit Sicherheit nicht für jedes Unternehmen/ Projekt geeignet. Wie ist Deine Meinung dazu?
Da stimme ich dir grundsätzlich zu. Es kann aber auch sein, dass es am Ende eher um Kommunikation und die Art der Kampagne geht. In unserem Bereich sind es vor allem die kleinen Geschichten, die authentischen Teams und die Begeisterung der Gründer, die die Leute spüren. Die Entscheidung eine solche Idee dann auch tatsächlich zu unterstützen ist sicher zunächst eher emotional getrieben. Komplexe Ideen, sind deshalb schwieriger zu kommunizieren. Egal, ob unverpackt einkaufen, kochen mit Fremden, oder vegane Kampfkleidung. Stets werden bei unseren Kampagnen konkrete, einfache und nachvollziehbare Lösungen für teils komplexe Probleme formuliert.
Crowdfunding setzt zudem eine gewisse Extrovertiertheit und Offenheit voraus. Die Bereitschaft sich zu öffnen, einen Standpunkt zu beziehen, aktiv zu kommunizieren, Gegenwind auszuhalten. Zudem sind die Kampagnen mit sehr viel Arbeit verbunden. Die Kampagne beginnt bei uns 2 bis 3 Monate vor dem eigentlichen Start des Crowdfunding und endet zwei bis drei Monate nachdem sie, hoffentlich erfolgreich, abgeschlossen wurde.
Auf der Plattform Social Impact Finance werden nur ausgewählte Projekte präsentiert. Wie qualifiziert man sich?
Für die Aufnahme in das Programm gibt es zunächst keine formale Qualifikation. Wir sprechen mit den Gründern und lernen deren Ideen kennen. Viele kennen wir ja bereits aus den anderen Programmen. Danach geben wir ihnen ein ehrliches, offenes Feedback und bieten ihnen an in das mehrmonatiges Programm aufgenommen zu werden. In diesen Zeitraum können sie jederzeit auf uns zugreifen. Uns ist wichtig, dass wir die Startups intensiv begleiten, vor offensichtlichen Fehlern bewahren und ihnen dadurch ein Gefühl von Sicherheit geben.
Zum Abschluss: Warum Social Entrepreneurship?
Das ist eine interessante Frage. Woher kommt eigentlich bei vielen von uns dieses Bedürfnis, Alternativen zu entwickeln, sich zum Beispiel für Soziallunternehmertum zu engagieren? Auch unsere Gründer stehen vor dieser Frage, besonders wenn sie sich für die Selbständigkeit, für das Sozialunternehmertum und gegen eine klassische Karriere entscheiden müssen. Die Gründe sind sicher vielfältig, sehr oft aber sind es sehr persönliche Erfahrungen, z.B durch einen Auslandsaufenthalt oder die Konfrontation mit Randbereichen unserer Gesellschaft.
In meinem Fall ist es vielleicht eine Erfahrung, die viele „Wendekinder“ gemacht haben. Das krisenhafte hat meine Jugend bestimmt. Transformation und Wandel waren ständige Begleiter. Vielleicht hilft mir jetzt diese Erfahrung dabei, scheinbar Unvereinbares zusammenzubringen und keine Angst davor zu haben, Bestehendes in Frage zu stellen. Ich habe mich immer als Grenzgänger und Brückenbauer empfunden – das gefällt mir an meiner Arbeit.
Ein Kommentar
Schön, dass ihr Danilo Kamrad zu diesem Interview bekommen habt. Meine E-Mails an ihn blieben bislang unbeantwortet. So ist es gut, dass man wenigstens ein paar Informationen bekommt.
Interessant finde ich z.B. dass eine CF-Aktion 4-6 Monate dauert. Das hätte ich vorher nicht gedacht.