Auf der neuen Crowdfunding-Plattform EcoCrowd, die sich auf den Bereich Nachhaltigkeit spezialisiert hat, tummeln sich einige interessante Ideen und tolle Projekte. In unserer neuen Reihe “Nachhaltigkeit jetzt!” stellen sich die Projektinhaber unseren Fragen. Heute ist das Projekt Azadi an der Reihe.
Könntet ihr euch und euer Projekt kurz vorstellen?
Mein Name ist Regina Vogt-Heeren. Beruflich bin ich Frauenärztin und niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis. Seit vielen Jahren habe ich enge Verbindungen zur indischen NGO „STOP“ („Stop Trafficking and Oppression of children and Women“) – eine Initiative für Frauenrechte und gegen Kinderhandel. In Deutschland haben wir hierzu einen Freundeskreis gegründet. Zusammen mit Elke Klemenz, Inhaberin von „FARCAP-Faire mode“ gGmbH kreieren wir derzeit tragbare und schöne Kleidung, die von jungen Frauen genäht wird, die einmal Opfer von Kinderhandel waren. Wichtig ist dabei, dass Herstellung, Vermarktung und Vertrieb unter fairen Gesichtspunkten steht.
Wann kam euch die Idee für das Projekt?
Die Idee kam uns, als ich mit einer jungen Inderin namens Rama in das Textilgeschäft „FARCAP- faire Mode“ gegangen bin. Rama, eine junge Frau, die ehemals selbst Betroffene von Kinderhandel war, war anlässlich einer Informationsreihe zum Thema Kinderhandel bei uns. Der Inhaberin von FARCAP gefiel die selbstgenähte Kleidung meines Gastes so gut, dass wir dann zusammen überlegten, probeweise ähnliche Modelle im FARCAP anzubieten. Diese ersten Tunicas hatte Rama selbst entworfen und in Delhi gefertigt. Die Nachfrage überstieg alle unsere Erwartungen!! Und so entstand die Überlegung, dies auf breitere Füße aufzustellen. Zeitgleich hatte übrigens eine junge Amerikanerin die gleiche Idee – auch sie vertreibt in den USA v.a. Wickelröcke und andere Textilien.
Worin genau besteht die soziale Komponente des Projekts?
Die Zustände in der Textilindustrie: Ausbeutung, Missachtung von Umweltstandards und Gefährdung der Produzenten/innen werden zunehmend bekannt und kritisiert. Dass es andere Wege in der Produktion und im Vertrieb gibt möchten wir aufzeigen. Wir möchten dazu beitragen, dass es tragbare und erschwingliche Alternativen gibt und bewusst machen, dass die Mode, die ich trage, eine Verantwortung beinhaltet für Mensch und Natur. Daher haben wir die gesamte Kette im Blick. Vom Stofflieferanten (WFTO zertifiziert) bis zu den Näherinnen weisen wir sichere und gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen sowie eine existenzsichernde Entlohnung nach.
Ein weiterer wichtiger Aspekt unseres Projektes ist, dass wir die Initiative STOP langfristig aus der Abhängigkeit von Spenden bringen wollen. STOP hat in Indien eine kleine Firma gegründet, unter dessen Schirm die jungen Frauen mit der Arbeit beginnen können – und Profite erwirtschaften dürfen. Es ist geplant, dass ein Teil dieser Erlöse auch STOP zugute kommt. Den ehemaligen Opfern von Menschenhandel eine Perspektive für ihren Lebensunterhalt geben – dies ist unser Ziel.
Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Im Juli werden wir die Kollektion erstmals präsentieren auf der Fairhandelsmesse in Augsburg. Dann werden wir bei Innatex – Internationale Textilwarenmesse in Frankfurt – die Modelle anbieten. FARCAP wird den Vertrieb und Import der Waren übernehmen. Wir halten enge und persönliche Beziehungen sowohl zur NGO STOP in Delhi, als auch zu unserem Stofflieferanten, der viel Erfahrung auf diesem Gebiet aufweist – und eigene Stoffdesigns kreiert hat.
Was ist derzeit die größte Herausforderung für euch?
Zunächst das Nahziel zu erreichen: das Startkapital zusammen zu bekommen für unsere Pläne! Auf der Crowdfunding Plattform Ecocrowd haben wir unser Projekt erläutert und werben für viele Unterstützer/innen.
Die weitere Entwicklung neuer Kollektionen – schon ab Herbst 2015 – wird ein weiterer Schritt sein, denn hier gilt es, am Puls der Zeit zu bleiben und die Wünsche unserer Kunden und Kundinnen berücksichtigen zu können.
Zeitliche Aspekte sind ebenfalls eine große Herausforderung!! Viele, viele Stunden haben wir in die Entwicklung unserer Idee bereits investiert und es bleibt abzuwarten, welche Dimension hier noch auf uns zukommen wird.
Was sind eure Ziele für die nächsten 12 Monate?
Wir möchten unsere Erstkollektion einem möglichst breiten Publikum bekannt machen. Zeitgleich, wie oben erwähnt, müssen wir weiterdenken – schon an die Kollektion 2017! Bisher sind auch nur Modelle für den Sommer in Planung. Ob wir uns an eine Winterkollektion wagen werden bleibt abzuwarten.
Zudem ist uns der ganz persönliche Kontakt zu unseren Produzentinnen wichtig. Ich kenne einige der jungen Frauen schon seit 8 Jahren. Da waren sie noch Kinder und wir haben zusammen im „Family Home“ Federball gespielt. Einige von ihnen gehen jetzt auf die Uni und wollen Lehrerin, Sozialarbeiterin oder Krankenschwester werden. Andere haben ihre Stärke in der Schneiderei entdeckt. Ihre Entwicklung über die Jahre zu sehen ist etwas sehr, sehr Schönes. Dies bedeutet aber auch Verantwortung für ihre Zukunft zu übernehmen. Ich würde gerne erleben, dass sie einmal ihren eigenen Modeladen in Delhi eröffnen können.
Mit wem würdet ihr euch gerne einmal zum Mittagessen verabreden?
Ein tolles Mittagessen durfte ich 2013 erleben: Rama wurde 2004 im Alter von 15 Jahren von einem (freiwillig operierenden) niederländischen Informanten in einem Bordell von Delhi entdeckt, der STOP den entscheidenden Tipp gegeben hatte für ihre Befreiung.
STOP hat heute noch Kontakt zu diesem Mann und wir trafen uns im Bahnhof in Düsseldorf.
Das war ein ganz besonderes Erlebnis – v.a. für Rama!!