Nachhaltig einkaufen liegt im Trend. Aber wie verhalte ich mich eigentlich so RICHTIG nachhaltig im Alltag? Das frage ich mich oft, wenn sich der ‚Rat für nachhaltige Entwicklung’ mal wieder per Newsletter meldet. Und ich erinnere mich daran, dass dieser Rat schon seit 2008 den „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit“ kürt. Vor 5 Jahren ging diese Auszeichnung an eine Frau, die soeben wieder neu von sich reden macht.
Gemeint ist die Unternehmerin Sina Trinkwalder. Schon der Titel ihres neuen Buches ist deutlich: „Fairarscht. Wie Wirtschaft und Handel die Kunden für dumm verkaufen“. Darin will sie „Verbrauchern erklären, warum sie so sind, wie sie sind. Sie müssen verstehen, wie sie vom Handel manipuliert werden, damit sie sich ändern können.“ Wettert sie wortgewaltig in der Augsburger Allgemeinen.
Wer daraus ableitet, die Unternehmerin sei deshalb gegen Bioprodukte, täuscht sich. Sie sei im Gegenteil „voll für Bioprodukte“, kritisiert aber die „Art und Weise, wie die Biowirtschaft im gleichen System wachsen will wie konventionelle Erzeuger. Damit machen sich Bio-Marken die Wertigkeit ihrer Produkte kaputt.“
Gehen wirtschaftlicher Erfolg und soziales Engagement zusammen?
Sina Trinkwalder kennt sich vor allem in der Textil- und in der PR-Wirtschaft aus. Nachdem sie zusammen mit ihrem Mann 13 Jahre eine Werbeagentur leitete, gründete sie 2010 manomama in Augsburg. Ein Unternehmen, bei dem eben Gewinnmaximierung NICHT im Vordergrund stehe. „Vielmehr wollen wir beweisen, dass ein echtes Social Business in Deutschland möglich ist“, heißt es auf der Facebook-Seite.
Das interessiert auch meine Kollegin Cornelia Lütge, mit der ich auf ohfamoos.com blogge. Cornelia hat Sina nicht nur gesprochen – sie hat die Unternehmerin auch porträtiert. Weil es uns Blogger-Frauen brennend interessierte: Wie kann man wirtschaftlichen Erfolg und soziales Engagement nachhaltig vereinbaren?
Im Interview ist schnell klar: Sina Trinkwalder redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Und wenn es um Politik und „ihre Ladies“ – wie sie ihre rund 150 Mitarbeiterinnen nennt – geht, dann wird sie auch gern vehement. Klagt vor allem die Politik an, die gesellschaftlich brisante Themen einfach tot schweige.
Was macht Sina Trinkwalder so anders?
„Ich spreche oft für die, die selber keine Kraft mehr zum Reden haben“, sagt die Unternehmerin. Sie versucht, sich stets an Gemeinwohl und Gemeinschaft zu orientieren. Indem sie sich beispielsweise um sogenannte Altersarmutsopfer kümmert – und diese auch engagiert. Für Sina sind diese Menschen „Arbeitskraftnehmer/innen“. Und sie ist überzeugt: „Für jeden Menschen ist in unserer Wirtschaft Platz.“
Sina Trinkwalder, hat meine Kollegin herausgefunden, frage eben nicht nur, sie sei „eine mit hands-on-Mentalität“. Und appelliere deshalb eindringlich, Verantwortung zu zeigen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. „Lieber mal einen Fehler machen und scheitern“, sei Sinas Credo.
Wie Start-Ups erfolgreich vorangehen können
Forderungen, die sicher keinen sozialen Entrepreneur so wirklich überrascht: Dass Arbeitgeber umdenken, ihren Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen sollten – Leitsätze dieser Art existieren sicher in vielen Unternehmen, aber werden sie auch umgesetzt?
Ich habe 2000 ein start-up mit gegründet, das kürzlich aufgrund seines erfolgreichen Verkaufs mal wieder kurz in den Schlagzeilen war. Für die Münchner conject AG galt zumindest solange ich dort war, also mindestens zehn Jahre: Fast hierarchiefrei. Natürlich gab es Leute, die Teams anführten. Aber erstens konnte sich das ändern und zweitens haben die wenigstens Kollegen das „raus hängen“ lassen. Die Projektorganisation schmeckte übrigens nicht allen – aber was damals probiert wurde, wird heute längst nicht nur unter Stichworten wie Arbeitswelt 4.0 diskutiert, sondern vielfach auch erfolgreich implementiert. Ich kann nur hoffen, dass sich viele junge Unternehmer nicht abschrecken lassen von Floskeln wie: „Das geht nicht.“
„Alter Falter“ – und dann auch noch das Bundesverdienstkreuz
Übrigens: Sina Trinkwalder, die ihr Unternehmen dafür rühmt, sogar „komplett hierarchiefrei“ zu sein, hat 2014 das Bundesverdienstkreuz angesteckt bekommen. Was sie auf Twitter wohl so kommentierte: „Alter Falter.“ Darunter, berichteten Medien, ein abfotografiertes Schreiben von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, mit folgender Botschaft: „Der Bundespräsident hat ihnen für ihre Verdienste um die Ausbildung und berufliche Integration benachteiligter Menschen und die Schaffung von Arbeitsplätzen die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.“
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2013 erschien bei Droemer „Wunder muss man selber machen“, 2016 veröffentlichte sie bei Knaur TB „Fairarscht. Wie Wirtschaft und Handel die Kunden für dumm verkaufen“. Über ihr neues Werk spricht sie hier.
Apropos Bio: Hier ein Porträt eines Mannes, der bereits in den 80er Jahren den ökologischen Landbau entdeckte.
Kolumnistin Elke Tonscheidt ist eine der Gründerinnen von ohfamoos – der Lifestyle-Blog für den Blick nach vorn. Von und über Menschen, die Neues wagen und machen. Der Mix aus individuellem Lebensstil, konstruktivem Trotz, Humor und Neugierde gefällt Social startups.de so gut, dass diese Kolumne draus wurde. Denn sowohl den Bloggerinnen als auch den Unternehmern geht es um Perspektivwechsel, inspirierende Projekte und um Geschäftsideen, die das Lösen gesellschaftlicher Probleme im Vordergrund sehen.