Gastbeitrag – Soziale Innovation ist derzeit in aller Munde, doch selten verzehrbereit durchgekocht. Zudem mischen sich geschmackliche Hypes und Mythen in das gesellschaftliche Veränderungsrezept. Ben West von Roots of Impact geht der Sache auf den Grund und räumt mit drei der größten Irrtümer auf.
Hand aufs Herz, warum der ganze Wirbel um soziale Innovation?
Die Stanford University widmet ihr ein ganzes Magazin. Die EU macht multiple Ausschreibungen daraus. Die Bayer Stiftung verleiht eigens eine Auszeichnung dafür. „Soziale Innovation” ist in aller Munde und klebt momentan an den Tipp-Fingern der Fachpresse. In jüngster Zeit türmen sich die einschlägigen Publikationen zu schwindelerregenden Gebirgen auf – was nicht zu der Schlussfolgerung verleiten sollte, dass das Konzept irgendwie neu sei. Was heute unter sozialem Unternehmertum verstanden wird, hat Ashoka schon in den 80er Jahren gefördert, und renommierte akademische Einrichtungen wie beispielsweise die Duke University publizieren spätestens seit den 1990ern fleißig darüber.
Auch wenn Otto Normalbürger weiter im Nebel bleiben sollte, wann das Konzept der „sozialen Innovation“ das Licht der Welt erblickt hat, ist eines glasklar: Es wird uns erhalten bleiben. Dennoch lässt die atemberaubende Fülle an Artikeln witziger Weise die wesentlichen Fragen unbeantwortet. Klären wir also einmal drei der häufigsten Irrtümer auf, die sich so um soziale Innovationen und Sozialunternehmertum ranken.
Irrtum 1: Soziale Innovation muss global sein
Community. Gemeinschaft. Diesem Wort begegnet man automatisch, wenn man tiefer in soziale Innovationen und Sozialunternehmertum abtaucht – und das aus gutem Grund. Wie bereits erwähnt besteht das Hauptmotiv sozialinnovativer Initiativen darin, die brennendsten gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen. Meistens bedeutet das, dass man sich dem Mantra des „global-is-the-new-local“ und dem fremdfinanzierten Expansions-Wahnsinn der vorherrschenden Startup-Kultur entgegenstemmen muss. Soziale Innovationen kümmern sich mit Vorliebe um Probleme direkt vor der eigenen Haustür statt dafür unbedingt in Nachbars Garten wildern gehen zu müssen.
Ob es für die Wirkungsakteure in aller Welt dabei um die Behandlung von Diabetes-Patienten am unteren Ende der mexikanischen Einkommenspyramide geht oder um die Integration von Gehörlosen in die slowenische Arbeitswelt – soziale Innovationsjunkies müssen nicht erst in die Weite schweifen, um Probleme zu finden, denen sie ihre ganze Zeit, Energie und Ressourcen widmen können.
Irrtum 2: Soziale Innovationen sind Allzwecklösungen
Was braucht soziale Innovation eigentlich, um zu fruchten? Mit der Motivation, sich den drängendsten Herausforderungen in den unzähligen sozialen und ökologischen Bereichen zu stellen, geht unweigerlich einher, dass man stets willens ist, seine Lösung so anzupassen, dass solche Probleme, die die Gesellschaft als zu schwierig oder zu teuer ansieht, auch bewältigt werden. Um das zu erreichen, verwenden „ Social Innovators“ gerne passgenaue Werkzeuge und Methoden. „Design Thinking“ bezieht zum Beispiel eine Reihe von Interessengruppen in den kreativen Lösungsprozess mit ein, was die Endnutzer selbst mit einschließt. Dies ermöglicht es, beim Entwerfen von Lösungen immer die Bedürfnisse der jeweiligen Nutznießer im Blick zu haben und nicht unabsichtlich gerade diejenigen Bevölkerungsgruppen außer Acht lassen, die vom Problem und dem Lösungsansatz direkt betroffen sind.
„Impact Management“ ist ein weiteres gutes Beispiel für diese Denke. Echte soziale Innovatoren überwachen und bewerten permanent die Fortschritte, die sie in den Gemeinschaften, in denen sie aktiv sind, bewirken. Dieser Prozess erlaubt es ihnen, ihre Vorgehensweise flexibel an Veränderungen im relevanten Umfeld anzupassen und sicherzustellen, dass sie selbst und ihre Lösung nicht in der dynamischen Komplexität der Materie stecken bleiben.
Irrtum 3: Soziale Innovation ist ein Code-Wort für Gemeinnützigkeit
Lasst euch sich nicht in die Irre führen: Hinter sozialer Innovation kann sehr wohl ein ausgeklügelter Geschäftsplan nebst einem waschechten Sozialunternehmen stecken. Der entscheidende Unterschied zum traditionellen Unternehmen ist dabei der Wille, den persönlichen Nutzen nur die zweite Geige hinter der gesellschaftlichen Wirkung spielen zu lassen. Sozialunternehmen dürfen also wie jede andere Firma auch Darlehen aufnehmen, Partnerschaften eingehen und Investoren an Land ziehen.
Gleichzeitig heben sich Sozialunternehmen, die nicht als gemeinnützige Organisationen aufgesetzt sind, von ihren Non-Profit-Namensvettern dadurch ab, dass sie auf nachhaltige Einkommensströme setzen. Spenden und Zuschüsse können das Sozialunternehmen sehr wohl unterstützen, sie sollten aber nicht die einzige Einnahmequelle sein.
Diese Flexibilität ermöglicht die Entstehung sehr innovativer Konzepte. Ein Beispiel dafür ist das „Revenue Sharing“-Modell bei Projekt Soar in Marokko. Bildungsprogramme für junge Mädchen werden durch die Einnahmen eines Boutique Hotels und einer Modelinie in einer in nahe gelegenen Stadt finanziert. Auf welche Weise auch immer, Sozialunternehmen versuchen also die öffentliche Hand, private Quellen und auch die Community zur Finanzierung ihrer Ziele zu mobilisieren. Sie sind ergo nicht nur auf ein einziges Modell beschränkt.
Und wie steht es mit euch – schlummert ein sozialer Innovator in euch?
Wenn ihr Interesse habt zu erfahren, wie soziale Innovationen in Praxis entstehen und wie ihr Teil dieser wichtigen Bewegung werden könnt, dann nehmt am brandneuen, kostenlosen Onlinekurs der Social Innovation Academy teil. Dort zeigen die Partner des Social(i)Makers Interreg-Projekts alle Schritte von A bis Z, die man braucht, um in seiner Gesellschaft und seinem unmittelbaren Umfeld positive Veränderung zu bewirken und wirklich etwas zu bewegen. Eine der kostenlosen Offline-Sessions zu Impact Finance findet Ende November im Berliner Social Impact Lab statt, kommt vorbei!
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Dieser Artikel ist eine deutsche Übersetzung des englischen Originals, welches auf der geschlossenen Lernplattform der Social Innovation Academy gepostet wurde. Die deutsche Übersetzung wurde uns exklusiv von einer Mitarbeiterin der Roots of Impact GmbH übermittelt.