„Wir sollten uns alle die Frage stellen, ob es gerecht ist, dass ein*e Investmentbanker*in mehr verdient als eine Pflegekraft“, erzählt Carola von Peinen. Sie ist Geschäftsführerin von Talents4Good – der Personalvermittlung für Jobs mit gesellschaftlicher Wirkung. Und wir haben mit ihr gesprochen.
Wer ist Talents4Goods und was macht Ihr?
Wir sind ein Personalberatungsunternehmen mit dem Ziel sozialen, ökologischen und nachhaltigen Organisationen zu helfen, das beste Personal zu bekommen und damit ihre Wirkung besser entfalten zu können. Wir wollen die, die die Welt ein Stückchen besser machen, dabei unterstützen, die besten Leute für die gute Sache zu gewinnen. Parallel dazu beraten wir Menschen, die in den sinnstiftenden Sektor wechseln wollen und helfen herauszufinden, wo sie mit ihren Talenten und Erfahrungen am besten einen Beitrag leisten können.
Was treibt Euch an?
Einerseits gibt es in der klassischen Wirtschaft viele gute Leute, die gerne etwas sinnstiftendes machen würden, aber nicht genau wissen, wie sie dahin kommen und ob sie damit überhaupt Geld verdienen können. Auf der anderen Seite haben viele Organisationen Schwierigkeiten, das richtige Personal zu finden. Perspektivisch wollen wir die Wirtschaft verändern, sodass irgendwann die Hauptwirtschaftskraft bei den gemeinwohlorientierten Playern liegt und nicht mehr bei denen, deren alleiniges Ziel die Profitmaximierung ist. Wir haben nichts gegen Profit – wir müssen uns ja auch selbst tragen können. Aber neben dem Profit sollten auch andere Ziele auf gleicher Ebene vorangetrieben werden.
Weshalb haben Sie damals die Zeitarbeitsfirma verlassen und sich stattdessen einem Job mit gesellschaftlichem Mehrwert gewidmet?
Ich habe die Zeitarbeitsfirma zwar auch als gesellschaftlich relevant erlebt und war dort glücklich. Trotzdem hatte ich nach neun Jahren das Gefühl, dass ich noch etwas anderes in meinem Leben machen kann. Ich wollte dem Thema Nachhaltigkeit einen größeren Fokus geben – und mich dafür an einen Personaldienstleister wenden, der auf das Thema spezialisiert ist. Aber den gab es damals noch nicht.
Wie verlief die Gründung von Talents4Good?
Wir haben uns alle quasi über die Idee getroffen. Meine Mitgründerin, Anna Roth, kommt aus der Entwicklungszusammenarbeit und suchte nach ihrem Auslandsaufenthalt eine Anlaufstelle, die dabei hilft, einen sinnstiftenden Job zu finden. Genau wie ich damals. Durch Zufälle sind wir dann auf Ashoka getroffen, die sich diesem Thema auch widmen wollten. Das war dann der Startschuss. Wir wollten erstmal schauen, ob wir daraus einen Business Case machen können, der auch dazu ausreicht, unsere Gehälter zu bezahlen. Wir starteten Pilotprojekt-mäßig und haben erstmal den Markt evaluiert und die spezifischen Bedürfnisse von gemeinnützigen, nachhaltigen, sozialen, ökologischen Organisationen im Vergleich zu klassischem Wirtschaftsunternehmen untersucht. Da haben wir schnell festgestellt, dass es viele Unterschiede gibt, die eine klassische Personalberatung einfach nicht bedient.
Was waren Eure größten Herausforderungen?
Der Bedarf für eine Idee wie unsere war und ist zwar groß, aber die Frage ist, ob die Organisationen bereit sind uns als Dienstleister zu bezahlen, sodass wir davon auch unser Leben bestreiten können. In einem Markt, in dem Geld ein sehr knappes Gut ist, ist das ein schwieriges Unterfangen. Das war und ist nach wie vor unsere größte Herausforderung. Das geht auch vielen Social Startups so: Da, wo man den größten Social Impact haben könnte, sind auch oft die, die am wenigsten dafür zahlen können. Wir wollten aber keine Mischkalkulation machen und beide Seiten beraten, sodass wir durch die Beratung in der klassischen Wirtschaft den sozialen Sektor querfinanzieren können. Wir wollen nur für die Guten arbeiten. Auch wenn sie weniger Geld haben.
Hat sich seit den ersten Jahren Eurer Gründung etwas verändert?
Einiges ist gleichgeblieben, anderes nicht. Zum Beispiel hatten wir im ersten Jahr noch ein weiters Produkt entwickelt, von dem wir dachten, dass es der große Umsatzbringer ist. Aber es hat sich schnell herausgestellt, dass dem nicht so war. Dafür haben sich andere Märkte aufgetan, die wir zu Beginn nicht auf dem Schirm hatten. Ansonsten haben wir einfach wahnsinnig viel ausprobiert und sehr dicht an unseren Kund*innen „experimentiert“. Wir haben auch viel Controlling und Prozessevaluierung gemacht, um zu schauen, wie wir profitabel bleiben in einem Markt, in dem nicht viele Spielräume sind. Ansonsten haben wir uns in den letzten zwei Jahren aus den klassischen Startup-Strukturen herausgearbeitet. Von „alles läuft bei den Gründerinnen zusammen“, gewachsenen Hierarchien und Abläufen sowie ineffizienter technischer Infrastruktur hin zu klaren Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten. Wir merken, dass wir als Player am Markt etabliert sind. Aber die Frage, ob und wenn ja wie wir weiter wachsen wollen, haben wir noch nicht schlussendlich geklärt.
Nach welchen Kriterien werden die Unternehmen ausgesucht, die ihre Jobangebote auf Talents4Good anzeigen?
Unsere Vision ist, die Player zu unterstützen, die gemeinwohlorientiert sind. Das können sowohl For-profits als auch Non-profits sein. Also alle, die den gesellschaftlichen Wandel vorantreiben. Wir schauen deshalb darauf, ob die Mission des Unternehmens sowie alle oder nur der jeweils ausgeschriebene Job auf gesellschaftlichen Wandel ausgerichtet ist. Wir haben natürlich auch No-go-Kriterien wie die Tabak- und Waffenindustrie.
Was beinhalten Eure Karriere-Workshops?
Die Workshops umfassen verschiedene Formate, um den Transfer von der klassischen zur nachhaltigen, sozialen Wirtschaft zu unterstützen. Wir bieten individuelle Karrierecoachings an und in Kooperation mit der School of Life Berlin einen Karriereworkshop, der einen Überblick über die verschiedenen Sektoren Einstiegsmöglichkeiten für Quereinsteiger*innen, Arbeitsstrukturen und andere wichtige Themen bei der Jobsuche gibt. Wir geben auch Hilfestellung beim Thema „Culture clash“. Denn die Kultur ist ganz anders als in der klassischen Wirtschaft. Wir versuchen, Stolpersteine zu umschiffen und Tipps und Tricks für den Lebenslauf, das Motivationsschreiben und den Einstieg in den Sektor zu geben. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, selbst in der Welt der sinnstiftenden Jobs aktiv zu werden.
Warum habt Ihr Euch für eine Gemeinwohl-Bilanz entschieden?
Als Vermittler sind wir gewerblich tätig – und damit per se nicht gemeinnützig. Deshalb kam für uns nur die GmbH und leider keine gGmbH in Frage. Stattdessen haben wir uns dazu entschieden, uns der Gemeinwohlökonomie-Bewegung anzuschließen. Zum einen um nochmal zu unterstreichen, was unser Ansinnen als GmbH ist. Zum anderen aber auch, weil es mich persönlich sehr interessiert hat, Wirtschaft und idealistische Themen, wie ökologische und soziale Nachhaltigkeit, zusammen zu denken und nicht gegeneinander. Die Gemeinwohl-Bilanz ist super dazu geeignet, um zu schauen, ob das Unternehmen ganzheitlich nachhaltig agiert und um Impulse zu geben, noch nachhaltiger zu werden.
Was ist für Euch die größte Herausforderung für soziale Unternehmen derzeit?
Zurzeit ist es Corona. Generell aber wohl die Herausforderung, alles im gesamten Unternehmen richtig und gut zu machen – aber trotzdem so profitabel, um gute Gehälter zahlen zu können. Man muss definieren was für einen selbst „gut“ bedeutet und dann, wie Profitabilität und „gut sein“ unter einen Hut gebracht werden können. Viele gute Dinge sind schwer zu monetarisieren, aber man muss sich selbst tragen und auch mal investieren können. Es ist schwieriger Gewinnwachstum zu erzielen, wenn man dies nicht auf Kosten anderer macht – ob Mensch oder Umwelt. Außerdem haben wir nach wie vor keine Legal Identity, die die beiden Welten zusammenbringt. Wir sind Hybride: Wir arbeiten in einem gemeinnützigen und in einem unternehmerischem Konstrukt. Hätten wir aber eine Rechtsform, die beides umfassen würde, hätten wir bessere Spielmöglichkeiten. Es fehlt auch oft an Anerkennung für soziale und gemeinwohlorientierte Unternehmen. Auch in diesem Sektor sollte man gutes Gehalt verdienen. Wir sollten uns alle die Frage stellen, ob es gerecht ist, dass ein*e Investmentbanker*in mehr verdient als eine Pflegekraft.
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