In Pakistan haben die Taliban einen hohen Einfluss. Sie entführen Kinder vor ihren Schulen, um neue Anhänger zu finden. Einige kommen sogar freiwillig zu ihnen, weil ihre Mitschüler schon längst den Taliban angehören und ihnen suggeriert haben, es sei gut, den Taliban zu dienen. Dort werden sie ausgebildet, um zum einen Menschen zu foltern, zu töten und zum anderen, sich selbst zu töten und tausende Moslems mit in den Tot zu reißen. Als die Armee im Gebiet Malakand wieder die Oberhand gewann, stellten sie fest, dass unter den Festgenommenen viele Kinder waren. Doch was sollte geschehen? Sollten sie mit zu den Erwachsenen gesteckt werden, um später noch größeren Gefahren ausgesetzt zu sein oder sollte etwas anderen mit ihnen geschehen?
Es wurde entschieden, dass etwas anderes mit ihnen geschehen musste. Dies war die Geburtsstunde der einzigartigen Schule Sabaoon. Die Jungen, die dort hinkommen sind zwischen elf und 17 Jahre alt und wurden von der pakistanischen Taliban-Bewegung zu Spionieren, Folterer und Selbstmordattentätern ausgebildet, nicht wenige von ihnen haben noch nie gemordet. Ihnen wurde ihre Menschlichkeit genommen, Gehirnwäschen durchgeführt, indem ihnen Videos von Folterungen und Enthauptungen gezeigt wurden oder sie gar dabei sein mussten. Dabei wurden ihnen systematisch eingebläut, dass lediglich der Taliban den Islam richtig interpretieren könne und es sei absolut gerechtfertigt, jeden zu foltern und zu töten, der anderer Meinung ist. Viele von ihnen wurden zu harter Arbeit gezwungen und schlossen sich nur widerwillig der Bewegung an, um nicht selbst gefoltert und ermordet zu werden. Andere fanden es spannend, Waffen zu tragen und Macht zu haben.
Ein spezielles Programm sorgt für eine Resozialisierung
Sabaoon möchte ihnen ihre Menschlichkeit zurückgeben, sie wieder resozialisieren. Die Kinder müssen so lange in der Schule bleiben, bis sichergestellt ist, dass sie keine Gefahr mehr für sich und die Gesellschaft darstellen. Sie haben in Sabaoon Unterricht und Prüfungen genau wie andere Kinder in ihrem Alter in der Region, mit dem Unterschied, dass sie streng bewacht werden und die Schule nicht verlassen dürfen. Viele von ihnen haben seit der Zeit der Entführung keine Schule mehr besucht, einige haben nie eine von innen gesehen. Besonderer Bedeutung misst die Schulleiterin dabei den Sportunterricht bei. Hier können die Jungs wieder Kinder werden und das nachholen, was sie all die Jahre versäumt haben. Auch sollen sie lernen an einfachen Dingen wie Tanzen und Musik Freude zu haben, da es bei den Taliban eine Sünde sei. Sabaoon heißt zu Deutsch Morgenröte oder auch Neuanfang.
Strenge Kontrollen vor Eingliederung in die Gesellschaft
Die Schule befindet sich im Swat-Tal, nahe dem Stützlager der Armee. Besonders harte Fälle sind die Kinder, die freiwillig zu den Taliban gegangen sind, sagt die Leiterin der Schule. Dennoch werden sie nicht gesondert von den anderen Kindern unterrichtet. Über jedes Kind wird bei seiner Ankunft ein psychologisches Profil erstellt, um die Ausprägung des Traumata bestimmen zu können. Dazu sind mehrere Einzelsitzungen nötig, da die Wahrheit über die Aufgaben bei den Taliban nur Stück für Stück ans Tageslicht gelangen. Zum Ende des 18-monatigen Programms wird über jedes Kind einzeln entschieden, ob es so weit ist in die Gesellschaft wieder eingegliedert zu werden. Dazu besucht die Leitung der Schule die Gegenden in denen die Kinder zurück geschickt werden, um sicherzustellen, dass sie dort nicht erneut einer Gefahr ausgesetzt sind. Außerdem können die Familien der Jungen sie einmal im Monat besuchen. Dabei soll analysiert werden, ob die Kinder bei ihren Familien in guten Händen sind oder ob Sabaoon ebenfalls die Familien unterstützen muss.
Im Jahr 2009, als Sabaoon gegründet wurde, kamen 22 Schüler in die Schule. Innerhalb eines Jahres konnten elf von ihnen in ihre Familien zurück geschickt werden. Seitdem konnten weitere 20 der 150 Schüler in ihre Familien entlassen werden. Bis zu 200 Schüler kann Sabaoon aufnehmen.