Ein neuer Megatrend, der auf einem uralten Prinzip beruht, erobert derzeit unsere Städte: Nachbarschaftshilfe. Als unentgeltliche Form der gegenseitigen Unterstützung hat sie die Kraft, das Gesicht unserer heute weitgehend durch Isolation und die Kommerzialisierung sämtlicher Lebensbereiche geprägten Großstadt-Gesellschaften nachhaltig zu verändern.
Unseren Freunden sind wir dank Instragram, Facebook und Co heute oft näher als früher, sie wohnen nur meist nicht in unmittelbarer Umgebung. Wer Hilfe bei Alltagsaufgaben im echten Leben sucht, bleibt in der Anonymität der Großstadt oftmals alleine.
Plattform für Alltagshelden
Zwopr ist eine Nachbarschaftshilfe-Plattform, die vor rund einem Jahr mit dem Ziel angetreten ist, diesen Umstand zu ändern. Mehrere Tausend Menschen haben sich bereits angemeldet, um sich im Alltag gegenseitig zu unterstützen, sei es bei einem Gang zum Amt, der kurzfristigen Betreuung der Kinder, beim Montieren eines neuen Regals oder Gassi gehen mit dem Hund.
Gezahlt wird für die nachbarschaftliche Solidarität nicht mit Geld. Als Dankeschön kann man sich selbst als Helfender engagieren oder man spendet Bäume für das neue Aufforstungsprogramm und trägt somit zum Klimaschutz bei. Partner ist die Umwelt-Organisation Trees For The Future. Jede Spende für eine geleistete Hilfestellung hat einen direkten Impact für unseren Planeten und die Lebensbedingungen der Menschen, die es am nötigsten haben. Von 10 Hilfesuchenden pflanzen bereits acht Bäume und verwandeln auf diesem Weg Hilfsbereitschaft auf smarte Weise in Klimaschutz.
Ehrenamtliches Engagement macht unser Land lebenswert
Die Gründer von Zwopr – Bernhard Koller, Christian Ebert und Tassilo Ippenberger – sind beste Freunde seit über 20 Jahren. Seit sechs Jahren veranstalten sie eine Charity-Veranstaltung zugunsten der Kinderkrebshilfe. Dabei ist ihnen aufgefallen, dass es oft ungemein schwer fällt, jemanden um Hilfe zu bitten – entweder, weil es einfach unangenehm ist zu fragen, oder weil man gar nicht weiß, wer welche Hilfe leisten kann. Obwohl die Bereitschaft zu gegenseitiger oder nachbarschaftlicher Hilfe tief in uns verankert ist, ist sie oft einfach nicht „abrufbar“. Das wollten die Gründer ändern – die Idee von Zwopr war geboren.
In Deutschland engagieren sich über 30 Millionen Bürgerinnen und Bürger freiwillig und ohne Bezahlung für das Gemeinwohl. Freiwilliges Engagement hat eine große Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Neu ist, dass gesellschaftliches Engagement digitaler wird. Zwopr ist angetreten, dazu einen Beitrag zu leisten. „Wir hören aus unserer Community, das freiwilliges Engagement auch die Lebensqualität der Helfer selbst hebt“, sagt Christian Ebert (51), einer der drei Gründer von Zwopr. „Ehrenamt wird belohnt mit dem besonderen Gefühl, etwas Gutes zu tun“, so der Unternehmer.
Mit der Headline „Gute Zeiten für Nachbarschaften“ brachte DER SPIEGEL* ein Interview mit dem Soziologen Sebastian Kurtenbach von der Fachhochschule Münster auf den Punkt. Das Internet werde immer mehr zu einer Erweiterung der Nachbarschaft – und ganz bestimmt nicht deren Ende, erklärte der Sozialforscher. In funktionierenden Nachbarschaften seien die Menschen nicht nur zufriedener, sondern sogar gesünder, wie in seinen und vielen weiteren Studien nachgewiesen worden sei.
Strategische Partnerschaften als Wachstums-Booster
Die Corona-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, wie groß die Hilfsbereitschaft in unserer Bevölkerung ist. In der Hochphase des Lockdowns haben sich die täglichen Anmeldezahlen bei Zwopr verzehnfacht. Die Plattform-Gründer sind zu dieser Zeit eine Partnerschaft mit dem Roten Kreuz Berlin Müggelspree, dem größten Kreisverband der Hauptstadt, eingegangen. Das DRK setzte die App ein, um Nachbarschaftshilfe für all jene zu organisieren, die von häuslicher Isolation betroffen und auf Unterstützung angewiesen waren. Einkaufshilfe war das Thema der Stunde.
Noch verdienen die drei Social Entrepreneurs kein Geld mit ihrem Portal. Sie haben einige Hunderttausend Euro investiert. Business Angels sind an Bord, Gesprächen mit Investoren laufen. Partnerschaften stehen ganz oben auf der Agenda der Gründer. „Wir könnten noch einen Tick schneller wachsen – mit smarten Allianzen“, gibt Co-Gründer Bernhard Koller (38) die Richtung vor. Im Blick hat er dabei strategische Partnerschaften mit Unternehmen, Hilfsorganisationen und Kommunen, die von dem Hybrid-Ansatz aus Nachbarschaftshilfe und Nachhaltigkeit ebenso überzeugt sind wie die Gründer.
*DER SPIEGEL, 28. 2. 20.
Über den Gastautor
Marcus Prosch (50) ist Kommunikationsberater in München. Er unterstützt seine Mandanten insbesondere bei der Entwicklung von Positionierungsstrategien, in Transformations- und Kulturwandelprozessen sowie in den Bereichen CSR- und Nachhaltigkeitskommunikation. Zu seinen Kunden zählen diverse Social- und Tech-Startups, in die er zum Teil auch investiert ist. Vor seiner Selbständigkeit war Marcus Prosch mehr als 18 Jahre als Experte für Corporate Communications bei der ProSiebenSat.1 Group tätig. Mehr unter www.prosch-communications.de