Seit 2007 vermittelt die gemeinnützige Organisation Joblinge (www.joblinge.de) Jugendlichen zu Ausbildungsplätzen. Im Interview spricht Philipp Heines, Jugendkoordinator von Joblinge Frankfurt, über das neuartige Ausbildungsprogramm.
Philipp, kannst du uns Joblinge in ein paar kurzen Worten näher bringen?
Unser Konzept ist es, dass Joblinge einen nachhaltigen Beitrag leistet, Jugendliche in Ausbildung zu vermitteln – also eine Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit. In einem sechsmonatigen Programm erhalten die Jugendlichen die Chance, ihre Fähigkeiten in der Praxis zu beweisen, unabhängig von Schulnoten und klassischen Bewerbungsgesprächen. Das Besondere ist, dass sich Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft gemeinsam für die Jugendlichen engagieren.
Die gemeinnützige Initiative wurde 2007 von der Eberhard-von-Kuenheim-Stiftung der BMW AG und der Boston Consulting Group ins Leben gerufen und hat innerhalb kürzester Zeit sehr viel Anklang gefunden.
Nach einem ersten Pilotstandort in Zwiesel im Bayerischen Wald, also in ländlicher Region, ist ein zweiter Standort in München gegründet worden. Da auch dieser Standort in der Stadt sofort Erfolg hatte, hat sich Joblinge ausgeweitet. Mittlerweile sind wir bei 10 Standorten in ganz Deutschland.
Wie kann ein Jugendlicher bei euch aufgenommen werden?
Erst einmal bekommen wir die Jugendlichen von den Jobcentern zugewiesen oder empfohlen. Teilweise kommen aber auch Jugendliche von sich aus zu uns und fragen nach, ob sie an unserem Programm teilnehmen können. Dann beginnen die unterschiedlichen Phasen des Programms. Dabei ist unser Motto im übertragenen Sinne: Was nichts kostet, ist nichts wert. Hinter Joblinge steckt sehr viel gesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement und deshalb halten wir es für wichtig, dass auch die Jugendlichen der Gesellschaft etwas zurückgeben. Das können sie gleich zu Anfang tun – bei einer gemeinnützigen Projektarbeit.
Zur Aufnahme gehen die Jugendlichen in unterschiedliche soziale Institutionen, zum Beispiel als Hausmeister-Ersatz in einem Kindergarten, und dort sehen wir, wie die Jugendlichen im Team funktionieren und ob Bereitschaft zur Arbeit vorhanden ist. Diese Arbeit gibt den Jugendlichen auch eine Art Wertschätzung. Viele von den Jugendlichen haben lange Zeit nichts gemacht und sind dadurch oft in eine Lethargie verfallen. Sie haben durch ihre Arbeit dann eine Aufgabe, aber auch ein Ziel und später auch ein Erfolgserlebnis – nämlich bei Joblinge aufgenommen worden zu sein und es aus eigener Kraft geschafft zu haben.
Was passiert wenn die Jugendlichen aufgenommen sind?
Dann beginnt die Orientierungsphase, in der ich auch involviert bin. Diese dauert sechs bis acht Wochen und in dieser Zeit arbeiten sie zusammen. Sie bekommen Job- und Sozialkompetenz-Trainings und lernen durch unsere Partnerunternehmen die verschiedenen Ausbildungsberufe kennen. Das gibt den Jugendlichen eine Orientierung Richtung Ausbildung, denn viele junge Leute kommen zu uns und sagen: „Ich möchte Bankkaufmann werden und sonst nichts.“ Und nach der Orientierungsphase kommen dann oft noch andere Ausbildungsmöglichkeiten auf. Außerdem gibt es speziell hier in Frankfurt noch ein Kulturprogramm – als Motor und Identifikationsmerkmal von Talenten und Stärken. Das fördert das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Unser Ziel dabei ist es, dass die Jugendlichen am Ende der Orientierungsphase gestärkt in die Praktikumsphase gehen. Damit jeder Teilnehmer ein Praktikum bekommt, schreiben wir mit ihnen auch Bewerbungen und üben Vorstellungsgespräche.
Wie verändert sich der Jugendliche innerhalb dieser ersten 6 Wochen?
Es geht vor allem um gruppendynamische Prozesse, da die Jugendlichen ja in einer Gruppe zusammen sind. Wir wollen die Fähigkeiten des Einzelnen in der Gruppe fördern, aber auch die Fähigkeiten der Gruppe, die im Gesamten liegen. Dazu kommen Lerneinheiten hinzu, wie eine ganz normale Begrüßung im Arbeitsleben abläuft oder wie sich die Jugendlichen im Arbeitsalltag präsentieren können. Insgesamt geht es darum, den Jugendlichen zu vermitteln, was Leistung wert ist. Wir sorgen dafür bzw. lassen die Jugendlichen selbst dafür sorgen innerhalb einer relativ kurzen Zeit – in 6 bis 8 Wochen – eine Menge Erfolgserlebnisse zu haben.
Wie werden die Jugendlichen individuell unterstützt?
Die Jugendlichen bringen alle ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Talente mit, deshalb ist unser Programm auch sehr individuell gestaltbar. Es ist einfach wichtig, individuell anzusetzen. Das machen wir auch von Tag eins an. Darüber hinaus arbeiten wir auch mit Mentoring. Das bedeutet, jeder Jugendliche bekommt einen persönlichen, ehrenamtlichen Mentor. Das ist eine Person, die fest im Berufsleben steht und bereit ist, den Jugendlichen auf seinem Weg zu unterstützen. Das funktioniert auch sehr gut und ist wichtig für die Jugendlichen. Wir freuen uns immer über engagierte Mentoren – im Moment können wir insbesondere in Wiesbaden Unterstützung gebrauchen.
In Deutschland gibt es in vielen Branchen Facharbeitermangel. Wie ist es zu erklären, dass viele Jugendliche keine Lehre bekommen?
Die Anforderungen der Unternehmen sind einfach sehr hoch. Da sollte ein Umdenken stattfinden. Viele Unternehmen tun das auch. Es muss einfach ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass eben nicht die Noten der Zeugnisse auschlaggebend für Lehrstellen sein sollten. Es muss viel mehr über Praktika gehen. In dieser Zeit können die Jugendlichen zeigen, was wirklich in ihnen steckt, aber auch die Unternehmen lernen die Fähigkeiten und die Talente der jungen Leute kennen. Allerdings sind die Noten erstmal die Visitenkarte und anhand dessen wird man auch leider schnell aussortiert.
Wie viele der Jugendlichen haben nach der Zeit bei Joblinge eine Ausbildung?
In Deutschland liegt die Vermittlungsquote insgesamt bei knapp 70 Prozent. Unsere Standorte in Frankfurt und Umgebung haben zusammen eine Vermittlungsquote von 83 Prozent. Diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen, wollten ihre Chance nicht nutzen. Sie fehlen dann, kommen einfach zu spät, melden sich nicht ab – und das sowohl, wenn wir mit ihnen zusammen arbeiten, als auch bei den Praktika. Die Jugendlichen, die dann aber einen Ausbildungsplatz erhalten haben, werden auch nach ihrer Zeit bei Joblinge weiterhin von uns nachbetreut.
Möchtest du zum Schluss noch etwas sagen?
Ja, es gibt nichts schöneres, als die Augen von einem Jugendlichen zu sehen, der 3 Jahre auf eine Ausbildung gewartet hat und es dann geschafft hat .Es ist einfach toll, mit diesen jungen Menschen zu arbeiten.
Das Interview führte Thomas Grafe