18.11.2015 – Altersvorsorge ist ein unangenehmes Thema, nicht nur für Angestellte. Als Gründer/in ist man wie alle Selbstständigen dafür allein verantwortlich – meist findet es aber weder im Businessplan statt noch im Unternehmensalltag. Wie man mit etwas System Grund in die Finanzen bringt und wann kreative Vorsorgestrategien nötig sind, erklärt Marco Habschick von SmartBusinessPlan.
Wir müssen uns ums Alter kümmern. Alle. So komfortabel wie in der Generation unserer Eltern wird der Ruhestand nicht mehr sein. Das merken auch Gründerinnen und Gründer. Aber wie geht man das Thema an – gerade wenn das Unternehmen finanziell noch nicht viel Spielraum lässt?
Die freundlichen Berater von der Bank haben schnell eine Lösung zur Hand: Zum frisch zugesagten Gründungskredit gleich noch einen Altersvorsorgevertrag abschließen, z.B. eine Kapital bildende Lebensversicherung. Und während sich die Bank anschließend freut, zwei Produkte auf einmal verkauft zu haben, ächzen die Gründer unter der Doppelbelastung. Nicht selten enden solche Geschichten mit dem Ausstieg aus dem Altersvorsorgeprodukt. Viel Geld geht verloren, die Anstrengungen waren vergeblich.
Nichts zu tun, wäre aber auch keine Lösung. Zum Glück gibt es kein „Entweder-oder“, denn bei Geldanlage und Altersvorsorge gilt: System schlägt alles. Zwar gilt die Grundregel, dass man viel weniger Geld aufwenden muss, wenn man früh anfängt. Viel wichtiger ist aber die Leitlinie „Alles zu seiner Zeit.“ Wenn Sie gerade gegründet haben, müssen Sie sich darauf konzentrieren, das Unternehmen zu stabilisieren. Irgendwann aber kommt die Zeit für die Altersvorsorge, ohne Wenn und Aber. Ein kluges System bringt alles in Einklang und erspart einem das leidige Thema Timing („Jetzt anlegen oder noch warten?“). Oft erleichtert ein System auch die Produktauswahl: Wenn eine Rürup-Rente (noch) gar keinen Sinn macht, muss ich mich nicht mit ihr beschäftigen. Logisch, oder?
Eines muss klar sein: Das eigene Unternehmen kann ein Teil der Altersvorsorge sein. Die betrieblichen Finanzen sind bei Kleinunternehmen ohnehin schwer vom Privatbereich zu trennen. Es wäre aber eine Illusion zu glauben, mit dem eigenen Unternehmen wäre man bereits abgesichert. Viel zu viele Selbstständige überschätzen den Wert Ihres Betriebs völlig.
Bei Geldanlage und Altersvorsorge gilt: System schlägt alles
Eine einfache, im Prinzip lebenslang taugliche Systematik für die eigenen Finanzen geht so:
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- Oberste Priorität hat der „Motor“: Unser Einkommen ist die einzige Quelle für alles Geld in der Zukunft (falls man nicht noch erbt). Wir müssen dafür sorgen, dass diese Quelle nie versiegt, sonst ist das tollste Altersvorsorgekonzept Makulatur. Bei Angestellten heißt das: Berufsunfähigkeit absichern. Bei Selbstständigen gilt das im Prinzip auch, v.a. aber braucht es Ihre volle Konzentration auf den Unternehmensaufbau: Kundengewinnung, Organisationsentwicklung, nachhaltiges Geschäftsmodell.
- Andere „GAU-Risiken“ absichern: Neben der Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Haftpflichtversicherung das einzige Produkt, bei der sich alle seriösen Experten einig sind, dass es unverzichtbar ist. Fügt man einem Anderen z.B. körperlichen Schaden zu, steht man lebenslang dafür gerade – das kann die Existenz genauso ruinieren wie der Verlust der eigenen Arbeitskraft. Stehen im eigenen Todesfall Hinterbliebene ohne Einkommen da (z.B. Kinder), ist auch dieses GAU-Risiko abzusichern, bevor eine eigene Altersvorsorge entstehen kann, die diese Bezeichnung verdient.
- Finanzen nach dem „Terrassenmodell“ strukturieren: Wie das Wasser auf den Äckern eines Bergbauern sollte Geld im Prinzip von oben nach unten fließen (siehe Abbildung). Terrasse 1 ist das unverzinste Giro- bzw. Geschäftskonto. Hier sollte kein Geld liegen, das nicht in den kommenden Tagen gebraucht wird. Jeder überschießende Euro fließt besser in die Liquiditätsreserve (Terrasse 2, z.B. Tagesgeldkonto), wo es Zinsen gibt. Hier sollten Gründer früher oder später ihren „Crash-Wert“ angesammelt haben: Angenommen, ab heute käme kein einziger Euro Umsatz mehr herein – das Unternehmen sollte dann noch eine definierte Zeit (z.B. mindestens sechs Monate) zahlungsfähig bleiben. Solange dieser Wert für die Liquidität nicht erreicht ist, bedeutet es ein Risiko, sich schon um weniger liquide Anlagen für die Altersvorsorge zu kümmern. Laufen Kredite (insbesondere teure Kontokorrentdarlehen), ist deren Tilgung durch die eingesparten Zinsen fast immer die beste risikolose Geldanlage überhaupt. Dennoch sollte man die Terrassen 3 und 4 immer mitdenken – denn natürlich muss man möglichst früh hier ankommen, damit möglichst viel Geld lange und gut verzinst für das Alter arbeiten kann. Terrasse 3 steht für den Topf, aus dem man mit Sicht auf 3-5 Jahre auch wieder Geld entnehmen können soll, z.B. für Investitionen (Zwecksparen). Terrasse 4 steht für die langfristigen Anlagen, die nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie bis zum Alter laufen können.
Das Schöne am Terrassenmodell ist also: Es macht klar, dass man für eine tragfähige Altersvorsorge alles Vermögen zusammen betrachten muss und nicht nur Anlagen, auf denen „Altersvorsorge“ steht. Was aber einmal auf der untersten Terrasse investiert ist, kann mit größter Wahrscheinlichkeit unangetastet bleiben – eben weil obendrüber alles fein organisiert ist.
Eine kostenfreie, anonyme und unverbindliche Online-Umsetzung dieses Systems ist der „Terrassomat“ des Deutschen Instituts für Altersvorsorge: Sein ausgedrucktes Ergebnis schafft Übersicht – prima für die eigene Ablage oder die Vorbereitung des nächsten Beratungsgesprächs.
Bei düsterer finanzieller Perspektive alternative Strategien suchen
Wer nun sagt: „Auf Terrasse 4 komme ich doch nie an!“, sollte sich dieser Herausforderung stellen. Es macht keinen Sinn, sich die Welt schön zu denken, indem man vorschnell in Langfristanlagen investiert und diese beim ersten Umsatzeinbruch wieder auflöst. Die Aufgabe lautet, schonungslos ehrlich mit sich zu sein, um passende Antworten für alle Terrassen zu finden. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Schritt zur Lösung und kann durchaus Kreativität nötig machen: Eine Daumenregel lautet, dass ein Selbstständiger mindestens 20 Prozent der Brutto-Umsätze für die Altersvorsorge zurücklegen muss, um ein vergleichbares Niveau wie ein Angestellter zu erreichen.
Sind Sie von diesem Wert meilenweit entfernt und ohne Perspektive auf Verbesserung, sollten Sie frühzeitig alternative Vorsorgestrategien entwickeln. Gibt es z.B. noch ein Haus der Eltern, tun Sie als Erbe vielleicht gut daran, dieses durch eigene Arbeit in gutem Zustand zu halten. Auch alternative, kostengünstige Wohnformen im Alter können ein Ansatz sein. Und selbst der pflegliche Umgang mit der eigenen Gesundheit kann unverzichtbar werden, wenn Sie davon ausgehen, bis ins hohe Alter hinein arbeiten zu müssen.
Altersvorsorge ist also kein rein monetäres Thema. Gut organisierte Finanzen bleiben aber der Dreh- und Angelpunkt. Sie sind recht einfach zu erreichen und etwas Terrassen-Systematik fließt am besten schon in den Businessplan ein. Komplex wird es erst bei der konkreten Umsetzung. Für Produktauswahl und Anlagestrategie müssen Sie professionell delegieren: Fachleute suchen, einen klaren Lösungsauftrag vergeben und dabei selbst Kontrolle und Verantwortung behalten.
Marco Habschick ist Experte für digitale Beratungsprozesse bei Finanzentscheidungen. Als Altersvorsorgespezialist bei evers & jung in Hamburg berät er auch das Team vom Gründer-Tool SmartBusinessPlan zu diesem Thema.