Welche sind die drei wichtigsten Tipps für Neueinsteiger ins Investieren mit messbarer sozialer und ökologischer Wirkung? Dr. Karl „Charly“ Kleissner und seine Frau Lisa sind mit ihrer KL Felicitas Foundation (www.klfelicitasfoundation.org) Vorreiter im Impact Investing. Der studierte Informatiker, unter dessen Führung einst in Steve Jobs‘ Firma NeXT das Betriebssystem OS X entwickelt wurde, hat an einer aktuellen Studie der Denkfabrik „Impact in Motion“ über Impact Asset Manager in der DACH-Region mitgewirkt (www.impactinmotion.com). In einem Exklusiv-Interview, das Christina Moehrle im Rahmen der Studie mit ihm führte, berichtet er über die Bedeutung von Investoren-Netzwerken, Systemveränderungen und persönlichen Leitlinien für ein gelungenes Investieren mit gesellschaftlicher Wirkung.
Herr Kleissner, Ihr Weg zum Impact Investor hat vor mehr als 10 Jahren begonnen. Wie lauten Ihre drei wichtigsten Ratschläge für Neueinsteiger in diese Anlagephilosophie?
Mein erster und wichtigster Rat ist, dass sich ein Investor über die Art des Impact, den er erzielen möchte, unbedingt im Klaren sein sollte. Das erlaubt es ihm, sich auf diese Leitlinie zurück zu besinnen, falls es im Laufe seiner Investments zu Konflikten kommt. Momentan findet zum Beispiel eine große Debatte über die Messung des Impact statt. Dabei entsteht auch die Gefahr, dass man sich zu sehr in den Zahlen verzettelt und die ursprüngliche Intention aus den Augen verliert. Mit Intention meine ich übergeordnete Impact-Ziele wie etwa die Verringerung der Klimaerwärmung oder die Abschaffung der Armut im globalen Süden. Wenn man sie verfolgt, kann es durchaus Sinn machen, auch in solche Anlageklassen zu investieren, die vielleicht nicht unmittelbar mit ihnen in Verbindung stehen, sie aber indirekt fördern, beispielsweise indem man die Infrastruktur entlang der Wertschöpfungskette eines Impact-Themas verbessert oder aber die finanzielle Portfolio-Rendite sichert.
Man sollte also das große Ganze im Blick zu behalten – auch das strukturelle Ökosystem um ein Impact-Thema herum?
Absolut. Meine zweite, fast ebenso wichtige Regel lautet, die Investitionsdisziplin nicht außer Acht zu lassen. Gerade Philanthropen und „Impact First“-Investoren sind in erster Linie dadurch motiviert, Gutes zu tun. Oft vergessen sie darüber hinaus die nötige Disziplin bei der Umsetzung ihrer Projekte. Das kann sie sehr viel Geld kosten. Disziplin ist sozusagen das komplementäre Werkzeug zur Intention beim Impact Investing. Die Intention kommt vom Herzen, die Disziplin vom Verstand.
Würde ein Impact Investor ohne diese Disziplin zu opportunistisch vorgehen?
Ohne diese Disziplin würde er zu viel Risiko eingehen. Seine Prüfung der Projekte wäre nicht gründlich genug, was finanzwirtschaftliche Voraussetzungen wie Profitabilität, Umsatzzuwachs und Marktpotenzial betrifft. Viele soziale oder ökologische Projekte sind sehr spannend, aber vom Geschäftsmodell her noch nicht robust genug. Oft verfügen die Sozialunternehmer auch nicht über ausreichend finanzielle Expertise. Wenn sie dann wachsen und skalieren, geht es schief. Man kann unterwegs auf der Impact-Reise sehr viel verlieren, sowohl den Blick auf die finanzielle Basis, als auch auf die gesellschaftliche Wirkung. Deshalb ist es für einen Investor so wichtig, sich regelmäßig auf seine ursprüngliche Intention zurück zu besinnen.
Und Ihr dritter Rat?
Ich nenne ihn „die Loskopplung vom Ergebnis“. Das klingt, zugegeben, wie ein Widerspruch zu meiner zweiten Empfehlung, ist es aber nicht. Die Loskopplung hat zwei unterschiedliche Dimensionen: Einerseits ist es notwendig, dass Impact Investoren viele neue Dinge ausprobieren, von denen einige funktionieren werden, andere wiederum nicht. Da wir uns in einem Systemumbruch befinden, ist diese Freiheit zum Experimentieren extrem wichtig. Oft weiß man nicht genau, was dabei herauskommt, aber es kann etwas äußerst Sinnvolles entstehen. Steve Jobs, der mich sehr inspiriert hat, nannte diese Methode „connecting the dots“, die Punkte miteinander verbinden. Das ist erst möglich, wenn man solche Punkte auch kreiert. Die andere Dimension der Loskopplung vom Ergebnis besteht darin, dass Impact Investoren bereit sein müssen zu prüfen, ob sie die gewünschte soziale und ökologische Wirkung tatsächlich erreicht haben. Für finanziell motivierte Investoren ist es nahezu selbstverständlich, aus einem Investment auszusteigen, wenn es die beabsichtigte finanzielle Rendite nicht einbringt. Für viele philanthropische motivierte Impact Investors scheint es dagegen schwierig zu sein sich einzugestehen, dass sie den gewünschten Impact nicht erzielt haben und sie ihren Ansatz deshalb neu überdenken und eventuell aus dem Investment aussteigen sollten. Durch das Loskoppeln wird sozusagen verhindert, dass man zu sehr an einem imaginären Impact-Ergebnis festhängt.
Beim wirkungsorientierten Investieren ist dieses Verbinden der Punkte sicher stärker ausgeprägt als beim Spenden, wo die geförderten Projekte oft nicht oder nur unzureichend nachverfolgt werden.
Das stimmt. Viele Impact Investors, die systematisch vorgehen, verstehen meinen dritten Rat deshalb sehr gut. Sie wissen, dass sie das System selbst mit verändern müssen sowie die gesamte Wertschöpfungskette eines Impact-Themas im Auge behalten sollten.
Wie wichtig sind vor diesem Hintergrund Impact Asset Manager? Was können diese professionellen Vermögensverwalter für wirkungsorientierte Geldanlage für einen neuen Investor leisten?
Ich habe auf meiner jüngsten Reise durch Europa mit vielen Banken und Vermögensverwaltern gesprochen. Die allermeisten davon verstehen das Thema Impact noch nicht. Sie sind nicht in der Lage nachzuvollziehen, dass es der nächsten Generation nicht mehr um zwanzig Basispunkte mehr oder weniger über die Rendite-Benchmark geht, sondern um die übergreifende Intention, eine soziale und ökologische Wirkung zu erzielen. Damit droht solchen Finanzinstituten mittelfristig der Verlust ihres Privatkundengeschäfts. Ich glaube fest daran, dass diejenigen unter ihnen, die einen vermögenden Privatinvestor, Family Office Kunden oder Kleinanleger weder in seiner Intention ernst nehmen noch ihn nachhaltig betreuen, bald vor einem massiven Problem stehen werden. Positiv ausgedrückt werden wiederum solche Asset Manager überleben und wachsen, die ihre Kunden auf dieser Ebene verstehen, ihnen Produkte anbieten, die transparent sind, und den Mut haben, die positive Wirkung ihrer Anlageprodukte zu maximieren und die negative zu minimieren.
Sie haben die Publikation „Impact Asset Manager in der DACH-Region“ der Denkfabrik „Impact in Motion“ als Experte im Beirat begleitet. Welche Aspekte lagen Ihnen bei der Auswahl der 14 Impact Asset Manager besonders am Herzen?
Meine wesentliche Motivation war, Investoren aus aller Welt eine Hilfestellung bei der Suche nach regionalen Impact Asset Managern zu geben. Ich wollte die landläufige Meinung als Mythos entlarven, dass es nicht ausreichend Investitions- und Diversifikationsmöglichkeiten in der DACH-Region gäbe. Die Publikation von Impact in Motion zeigt anhand von 14 Profilen, dass es in diesen drei Ländern sehr wohl eine Reihe von erfahrenen Impact Asset Managern gibt und eine gute Bandbreite an Impact-Themen, Finanzierungsinstrumenten, Mindest-Investitionsbeträgen und Anlageklassen zur Verfügung steht.
Sie treten dafür ein, dass Impact Investing als holistischer Ansatz für das gesamte Portfolio und nicht nur als kleiner Teil der Vermögensanlage verstanden wird. Was fehlt uns noch an Infrastruktur dazu?
Die erste Lücke klafft bei den konkreten Beispielen für die Strukturierung von Impact-Portfolien. Wie unterscheidet sich zum Beispiel ein 100-prozentiges Impact Portfolio für eine Stiftung von dem für ein Family Office? Wie viel Risiko können Stiftung oder Family Office jeweils eingehen und wie viel Liquidität und Cash Flow braucht jeder von ihnen? Mit welcher Mischung aus welchen Anlageklassen lässt sich dieses Ziel erreichen? Und wie gestaltet man idealer Weise die Tiefe und die Streuung des gewünschten Impact? Das sind typische Fragestellungen eines holistischen Investors, für die wir Antworten finden und Portfolio-Prototypen entwickeln müssen. Ich persönlich finde sogar, dass man die gesamte Portfoliotheorie neu überdenken müsste, damit die Dimension des Impact und seine Risiken miteingeschlossen werden. Die Makroökonomen hängen meiner Meinung nach noch zu sehr an ihren alten Terminologien fest, zum Beispiel an der „unsichtbaren Hand des Marktes“. Das ist ein weiterer Mythos, der entlarvt werden muss.
Welche weiteren Elemente fehlen noch, um zu einer 100 Prozent wirkungsorientierten Anlagephilosophie zu gelangen?
Es fehlt an Produkt-Tiefe. In manchen Anlageklassen gibt es einfach zu wenige Impact-Produkte. Bei den Alternative Assets, zum Beispiel, kenne ich keinen einzigen Hedge Fund, der es mir ermöglichen würde, meine Impact-Strategie ausschließlich mit Long-Positionen zu fahren. In Long- und Short-Positionen zu investieren, also auch auf negative Entwicklungen zu setzen, finde ich von der Impact-Philosophie her problematisch. Deshalb konnten wir mit dem Portfolio der KL Felicitas Foundation auch die ursprüngliche Allokation von 25 Prozent Alternative Assets nicht umsetzen. Wir sind bei 8 Prozent stecken geblieben. Eine weitere Frage ist, wo man eigentlich die liquiden Mittel eines 100-Prozent-Impact-Portfolios parken sollte. In Deutschland gibt es die GLS-Bank und in Holland und einigen anderem europäischen Ländern ist die Triodos Bank aktiv, um nur zwei positive Beispiele zu nennen.
Welche Trends glauben Sie werden in den nächsten Monaten den Impact Investing Markt in der DACH-Region wesentlich bestimmen? Was können Investoren-Netzwerke zu dieser Markt-Entwicklung beitragen?
Es gibt drei wesentliche Trends, die ich auf meinen Reisen durch Europa, aber auch in den USA beobachtet habe. Erstens kommen die Vorreiter für Impact Investing in der Regel aus der Gruppe der vermögenden Privatinvestoren und der Family Offices. Diese mobilisieren dann ihr vertrautes Netzwerk, um zunächst hinter verschlossenen Türen über Impact Investing zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Man möchte in das Thema hineinwachsen, bevor man damit nach außen geht. Nach meinem Gefühl befinden wir uns gerade an der Schwelle, an der diese Öffnung stattfindet. Die zweite Strömung, die ich beobachtet habe, ist dass die deutschen Stiftungen sich allmählich für Impact Investing erwärmen. Ich habe gerade an einem entsprechenden Workshop der BMW Stiftung teilgenommen, wo mindestens acht weitere Stiftungen präsent waren. Solch eine Entwicklung hat es vor einem Jahr noch nicht gegeben. Globale Impact Investoren Netzwerke wie Toniic oder das 100% IMPACT Netzwerk sind dabei ideal positioniert, diese beiden Trends zu verstärken, indem sie eine „Peer Community“ von Privatinvestoren, Family Offices und Stiftungen bilden. Der dritte Trend besteht darin, dass vielen Banken bewusst wird, dass sie ein Problem haben: ihr Geschäftsmodell ist nicht mehr zukunftsfähig. Auf der einen Seite nutzen immer mehr Privatkunden E-Commerce Finanzprodukte von Apple, Amazon, Google und anderen vergleichbaren Anbietern. Auf der anderen Seite fragt vor allem die nächste Generation von Anlegern verstärkt nach Impact Produkten. Banken müssen deshalb dringend ihre Kompetenz in diesem Thema entwickeln, um für ihre Kunden relevant zu bleiben. Diejenigen Finanzinstitute, die mit dem Thema Impact mitgehen, werden überleben und als Dienstleister der Zukunft aufblühen und erfolgreich sein. Für sie ist wirkungsorientiertes Investieren kein Randthema, für das sie lediglich eine Spezialabteilung gründen, sondern eine übergreifende Intention, die bei ihnen wie bei ihren Kunden über allen Aktivitäten steht.