Blinde Menschen gelten häufig als Außenseiter der Gesellschaft. Wenn man einem Blinden auf der Straße begegnet und sieht, wie er versucht, sich mit einem Blindenstock durch den Großstadtdschungel zu kämpfen, empfinden wir meist Mitleid. Zu selten denken wir darüber nach, dass uns Blinde eigentlich auch etwas beibringen können.
Andreas Heinecke sah das vor nicht ganz 25 Jahren ähnlich. Damals arbeitete er bei einem Radiosender und bekam die Aufgabe, einen Kollegen, der sein Augenlicht durch einen Unfall verloren hatte, einzuarbeiten. Zunächst war Andreas Heinecke mit der Situation überfordert und fühlte Mitleid mit seinem Kollegen. Doch schnell öffnete der Blinde die Augen von Andreas. Andreas begann zu verstehen, dass blinde Menschen Qualitäten aufweisen, welche die wenigsten Sehenden in sich tragen. Und damit beginnt auch die Geschichte von „Dialog im Dunkeln“.
Blinde und sehende Menschen sollen voneinander lernen
Andreas Heinecke begann im Jahr 1995 mit einem Ein-Mann-Unternehmen, das Konzept „Dialog im Dunkeln“ zu entwickeln und zu promoten. Die Anfangsidee bestand darin, „gesunde“ und blinde Menschen zusammenzuführen, damit diese voneinander lernen konnten. Mittlerweile ist der „Dialog im Dunkeln“ eines von drei Projekten – neben „Dialogue in Silence“ und „Dinner in the Dark“ – das unter dem Deckmantel des global operierenden Unternehmens „Dialogue Social Enterprise“ besteht.
Das Konzept von „Dialog im Dunkeln“ ist denkbar einfach. Kleine Besuchergruppen werden im Rahmen einer etwa 90-minütigen Führung in die Welt eines Blinden eingeweiht. Dabei werden die Führungen von blinden Menschen selbst durchgeführt. Bei der Führung, die in völliger Dunkelheit stattfindet, erleben die Besucher einen Mix aus Düften, Tönen, Temperaturen, Wind und Texturen und tauchen auf diese Art und Weise in den Alltag eines blinden Menschen ein. Das Besondere an solch einer Führung ist der Rollentausch. Wo doch normalerweise Blinde häufig die Unterstützung von Sehenden brauchen, so werden beim „Dialog im Dunkeln“ die Blinden zu Helfern. Auf eine einzigartige Art und Weise wird also der Kontakt zwischen „normalen“ und blinden Menschen hergestellt und Ängste sowie Vorurteile beseitigt.
Viele Blinde wird die Aufnahme eines Jobs ermöglicht
Die Führungen und das Konzept von Andreas Heinecke sind so beliebt geworden, dass eine Buchung nur mehrere Wochen im Voraus erfolgen kann. Schon über 6 Millionen Schüler, Touristen oder Seminar-Teilnehmer besuchten die Ausstellung in 35 Ländern weltweit. Andreas Heinecke hat zudem mithilfe seiner Ausstellung über 7000 Seh- und Schwerbehinderten einen Arbeitsplatz bieten können. Für seine Idee wurde Andreas Heinecke bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet. Unter anderem wurde er im Jahr 2005 als erster Westeuropäer zu einem „Ashoka Fellow“ ernannt und erhielt im Jahr 2011 den deutschen Gründerpreis.
Das Projekt „Dialog im Dunkeln“ ist zurzeit weiter am Wachsen und wir wünschen Andreas Heinecke viel Erfolg bei der Expansion.
Wir würden uns noch mehr Geschäftsideen wünschen, die benachteiligten oder ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen eine Chance geben, sich zu integrieren und in Kontakt mit „normalen“ Menschen zu treten. Hier ist ein wenig Kreativität gefragt, doch wir sind uns sicher, dass das Internet hier viele Möglichkeiten offen hält und wir in diesem Bereich noch viele andere Geschäftsideen sehen werden.