03.12.2012 – Noch nicht allzu lange her ist es, dass sich Menschen in Kuba selbstständig machen dürfen. Sabine Müller, die Gründerin von Baila Habana (www.baila-habana.com), spricht mit social-startups.de über ihr Projekt und gibt uns spannende Einblicke in ihre Erfahrungen, die sie in Kuba gesammelt hat.
Sabine, was ist Baila Habana eigentlich?
Baila Habana ist die erste professionelle Organisation selbständiger Tanzlehrer in Kuba. Seit 2011 dürfen Kubaner selbständig arbeiten. Aber ohne Geld und Erfahrungen ist der Start sehr schwer. Seit April 2012 können Tanzstunden über unsere Homepage gebucht werden.
Alle Tänzer haben eine professionelle Ausbildung und viel Erfahrung als Tänzer und Lehrer. Baila Habana bietet individuelle Einzeltanzstunden aber auch Gruppenkurse. Dabei wird immer auf Dachterrassen oder in schönen Salons mitten in Havanna oder auch Trinidad de Cuba getanzt. Dabei kommen die Tanzlehrer zu den Kunden in die Privatunterkünfte, die von uns ebenfalls vermittelt werden.
Was genau hat Baila Habana mit Social Entrepreneurship zu tun?
Mit meinen Erfahrungen unterstütze ich das Projekt unentgeltlich. Daneben habe ich die ersten Investitionen im Bereich Marketing und PR übernommen. Die Idee ist, dass von den Einnahmen 60% an die Tänzer direkt fließen, 30% kommen in einen Fond für künftige Investitionen, ich bekomme für die Vermittlung 10%. Somit ist das Ziel, dass Baila Habana bis Ende 2013 alle Kosten im Marketing und Vertrieb selber stemmen kann.
Als Berater und Initiatorin des Projektes stehe ich jederzeit bei Fragen zur Verfügung. Ich bin drei Mal im Jahr vor Ort, um mit dem Team zu sprechen. Dabei geht es um gemeinsame Werte und Ziele und eine Kultur. Für alle ist diese Art zu arbeiten neu und sie müssen langsam lernen, eigenverantwortlich im Sinne der Gemeinschaft zu arbeiten.
Wie bist du auf die Idee gekommen, Baila Habana zu gründen? Was hat dich inspiriert?
Ich war bereits mehrmals auf Kuba und ich liebe die Menschen und die Musik. Im Januar 2012 habe ich mich zum ersten Mal mit einigen Tänzern unterhalten und mehr über ihre Lebensumstände erfahren. Das hat mich sehr geschockt. Denn alle Tanzorganisationen, ob aus dem Ausland oder Inland zahlen einen Hungerlohn, während die Kunden viel Geld auf den Tisch legen. Verdienen tun andere, unter anderem der Staat. Mit dem Schritt in die Selbständigkeit haben die Tanzlehrer nun die Möglichkeit, ein anständiges Leben zu führen.
Mich hat die Begeisterungsfähigkeit und der unbändige Wille der Tanzlehrer sowie die große Chance, etwas Gutes zu tun dazu bewegt, hier zu helfen. Ich habe das Gefühl, etwas zu bewegen, was mir hier in der Beratung oft fehlt. In Kuba geht es noch um wesentliche Dinge !
Betreibst du Baila Habana hauptberuflich?
Nein, denn das kann ich mir nicht leisten. Aber ich investiere viel Zeit und Geld. Daher muss ich mit meinen Beratungsprojekten das Geld dafür verdienen. Ich weiß, dass es besser wäre, wenn ich mich für 3-6 Monate zu 100% auf das Projekt konzentrieren könnte. Aber der finanzielle Spielraum ist nicht da. Möglicherweise gibt es Fördergelder oder sonstige Gönner und hier muss ich mich noch schlau machen.
Erzähl doch mal ein bisschen darüber, welche Herausforderungen es bei der Realisierung von Baila Habana zu bewältigen gab
Nun die größte Herausforderung ist die Kommunikation. Das ist nicht die Sprache, sondern das fehlende Internet für Privatpersonen. Es gibt keine Möglichkeit billig zu telefonieren und Geldtransfers sind sehr teuer und unsicher. Wenn ich 3-7 Tage warten muss, bis ich eine Antwort auf E-Mails bekomme, ist das schon sehr nervend. Was ich auch lernen musste ist, wenn man nichts hört, dann ist alles ok. Das hat mir anfangs viele graue Haare beschert ;-)
Eine weitere Herausforderung in Kuba ist das fehlende Wissen über einfache marktwirtschaftliche Prozesse und Vorgänge. Ich muss viele Dinge wirklich von Grund auf noch mal erklären z.B. Alleinstellungsmerkmale, Kundenansprache, Vertrieb, Selbständigkeit. Die Menschen sind seit Jahren geführt worden und hatten keine Möglichkeit, Ideen oder Träume zu verwirklichen. Sie leben im Hier und Jetzt. Planungen zu machen und Ziele zu setzen fällt ihnen sehr schwer. Auch eine gemeinsame Vision ist nur im Kleinen möglich.
Was macht Kuba als Land eigentlich so besonders?
In Kuba fühlt man sich wie um 50 Jahre zurückversetzt. Die alten Autos, Pferdekutschen auf dem Land und fehlendes Internet. Die Regale in den Läden sind leer, es gibt kein McDonalds oder Starbucks an jeder Ecke, die Natur ist noch unberührt und es fehlen große Hotelkomplexe am Meer. Und die Menschen und die Musik machen Kuba zu etwas Besonderem.
Es wird gerne gelacht und getanzt, obwohl es nicht viel zum Lachen gäbe. Die Menschen haben sich auf erstaunliche Weise und mit viel Improvisationstalent eingerichtet.
In welchen Bereichen siehst du noch Potenzial, in Kuba als Social Entrepreneur tätig zu sein? Mit welchen dringenden Problemen haben Kubaner zu kämpfen?
Ich habe den Traum, in Kuba als Unternehmensberater allen Kubanern, die sich selbständig machen, zu helfen. Mit Coaching und strategischer Beratung. Es hat sich schon rumgesprochen, dass ich das bei Baila Habana mache und jedes Mal, wenn ich dort bin, kommen andere Menschen auf mich zu und wollen Hilfe.
Die dringenden Probleme sind die staatlichen Regulierungen. Um sich selbständig zu machen, muss man eine Lizenz beantragen. Diese kostet dann monatlich ca. 2 Euro. Wenn ich aber kein Geld verdiene, kann ich das nicht zahlen. Baila Habana zahlt aus dem Fond allen Tänzern für 3 Monate diese Gebühr und sie zahlen sie zurück, sobald sie Geld verdient haben. Auch das ist ein Ansatz, um Selbständigkeit zu fördern.
Würdest du zum Abschluss noch ein paar Worte über dich selbst sagen?
Ich habe BWL und Steuern studiert, seit 2011 habe ich eine eigene Firma und berate kleine und mittelständische Unternehmen bei Planungen, Erstellung von Businessplänen oder in Prozessabläufen. Vor einigen Jahren habe ich mich zum NLP-Coach und NLP-Trainer ausbilden lassen und ein Studium der Psychotherapie gemacht. Nun ist mein Schwerpunkt die Strategieberatung und Trainings für Mitarbeiter.