Rund 250 Besucher – vor allem Existenzgründer und Gründungsinteressierte waren der Einladung des Technologie- und Innovationszentrum Gießen (kurz: TIG) gefolgt und hatten den Weg in die Hessenhalle gefunden, um sich mit anderen Gründern auszutauschen, im Seminarraum Best-Practice-Beispielen und Fach- und Impulsvorträgen zu lauschen und sich bei den rund 50 Ausstellern in Halle 4 – Gründer, sowie Beratungs- und Förderungsinstitutionen, Banken und Versicherungen zu informieren und zu netzwerken.
Wir brauchen mutige Gründer
„Das Angebot wird sehr gut angenommen“, freute sich TIG-Geschäftsführerin Antje Bienert nach der Veranstaltung. Viele Teilnehmer seien bereits am Vormittag gekommen – „und selbst beim abschließenden offenen Gründerstammtisch am späten Nachmittag waren davon noch viele dabei“. Das Interesse an der Veranstaltung und somit auch am Thema Gründungen wächst zusehends. Erst 2018 hatte die Veranstaltung eine Frischzellenkur erfahren – aus dem bis dato im TIG im Europaviertel abgehaltenen Start-up-Tag und der Gründungsmesse im Rahmen der Messe „Chance“ war eins geworden, der Messecharakter des Gründertages hat sich somit verstärkt. Im Fokus der Veranstaltung liegt vor allem das Netzwerken, aber auch das Mutmachen. „Wir brauchen mutige Gründer“, hatte Landrätin Anita Schneider bei ihrer Eröffnungsrede konstatiert, denn in Zeiten des Fachkräftemangels und bei einer entsprechend guten Arbeitsmarktlage gebe es nur wenige Gründe für die Selbstständigkeit. Doch Schneider ermutigte: Gerade die Region Mittelhessen biete eine ideale Ausgangslage und perfekte Voraussetzungen, um diesen Schritt zu wagen. Das Zusammenspiel aus Hochschulen und zahlreichen Beratungsinstitutionen trage in Mittelhessen entsprechende Früchte. Auch Gießens Bürgermeister Peter Neidel riet, bereits im Vorfeld einer Gründung Angebote wie den Gründertag zu nutzen, sich umfassend zu informieren und alle Weichen von Anfang an richtig zu stellen: „Seien Sie mutig und netzwerken Sie hier!“
Neue Netzwerke bilden sich
Die Vernetzung stand dann am Samstag auch tatsächlich für Viele im Mittelpunkt. Vor allem die beteiligten Aussteller freuten sich über die gute Resonanz an den Ständen. Erstmals dabei war Grafikdesigner Kim Stahmer, der seine Agentur Blickfrisch Design kürzlich vom Neben- auf Hauptgewerbe umgestellt hat und sich Messe zusammen mit dem Kollegen Daniel Stöltzner von der Digital-Agentur 3 Viertel präsentierte. Stahmer bot als spezielles Messeangebot „ein BrandPaket – die Basics für einen optimalen, visuellen Start“. Insgesamt sei das Angebot des Messeteils und das breite Angebot an Ausstellern sehr gut aufgenommen worden. „Ich war selber vergangenes Jahr als Besucher hier und fand das Angebot, mich zu informieren, da schon sehr gut“, sagt Stahmer. Aus Ausstellersicht sei das noch einmal etwas ganz anderes. „Ich habe viele sehr gute Gespräche geführt. Vielen war gar nicht bewusst, was sie für einen Start brauchen, um bei potenziellen Kunden ‚optisch professionell‘ aufzutreten“. Auch er habe viele Kontakte geknüpft, aus denen sich Synergien ergeben könnten.
Deine Idee ist nur so gut wie Dein Marketing
Auch bei den Besuchern kam der Gründertag sehr gut an. Rechtsanwalt Nikolaus Flechtner sprach von „wichtigen Informationen für Existenzgründer und inspirierenden Impulsen für Entrepreneure“. „Der Gründertag ist eine wichtige Veranstaltung für Stadt und Region. Den Termin 2020 habe ich mir bereits im Kalender vorgemerkt“. Auch ansonsten war das Thema Netzwerken in aller Munde. So machte etwa Professor Dr. Alexander Haas, Professor für Marketing und Verkaufsmanagement an der Justus-Liebig-Universität Gießen in seinem Impulsvortrag „Marketing in der Gründungsphase – aber wie?“ deutlich, wie wichtig treffsicheres Marketing und das Netzwerken tatsächlich sind. Denn: Eine gute Idee allein reiche nicht. „Gründer sind von ihrer Idee meist total überzeugt“, sagte er, aber: „Die Idee muss auch vom Markt gesehen und angenommen werden“. Das bedeute: Mit einem neuen Produkt oder einer neuen Dienstleistung müsse man es schaffen, in bestehende Netzwerke vorzudringen und sich dort zu behaupten. Es brauche eine erfolgreiche Integration in bestehende Beziehungen. Um zu wissen, was der Kunde wolle, müsse man ebenfalls entsprechend mit ihm kommunizieren. Nur so könne man sein Produkt verbessern. Er empfahl, unter anderem das persönliche Netzwerk als Einflussfaktor auf den Markterfolg heranzuziehen. „Ein Netzwerk muss genutzt werden“. Es reiche nicht, es nur zu haben. Daher empfahl Haas, genau festzulegen, wer sich um Vertrieb und Marketing kümmert – intern oder extern.
Durch Netzwerken schneller zum Erfolg
Zum Netzwerken rieten auch mehrere der vortragenden Best-Practicer. Sabine Glinke, die mit ihrem Vortrag „Einfach machen!“ Gründern vor allem Mut machen wollte, auch einmal andere Wege zu gehen und Chancen nicht liegen zu lassen, beschrieb ihren Weg von der freien Journalistin zur Agentur für Events & Medien. Glinke riet dabei vor allem, keine Angst davor zu haben, Neues zu probieren – „man kann fast alles lernen“. Sie ermutigte, im eigenen Netzwerk zu schauen: „Man kann fast immer jemanden fragen und um Hilfe bitten, man muss sich nur trauen“. Eine Hand wasche dabei oft die andere. Diesen Gedankengang hatte zuvor auch Christoph Vetter von der Vesch Technologies GmbH unterstrichen. „Es gibt nicht viel, das man sich nicht aneignen kann“, sagte der gelernte Maschinenbauingenieur, der 2018 mit seinem Partner Martin Schunk aus einem gut bezahlten Job heraus die GmbH gegründet hat, und unterstrich: „Man muss auch keine Angst vor BWL haben. Wer Plus, Minus, geteilt und den Dreisatz verstanden hat, kommt auch damit klar“. Vesch Technologies bietet hochwertige Filtrationslösungen für die pharmazeutische Industrie. Der Fokus liegt dabei besonders auf der Handhabung von giftigem Staub, wie er etwa bei der Produktion von Krebsmedikamenten entsteht. „Immer einen Schritt voraus“ zu sein, empfahl Kim Buttron, der die Unternehmensnachfolge der Rechtenbach-Buttron GmbH, einem Fachbetrieb für Sanitär, Heizung und Lüftung, angetreten und das einstige Einzelunternehmen in eine GmbH umgewandelt hat. Mit seinem Handwerksbetrieb geht Buttron vor allem in Sachen Digitalisierung neue Wege – alle Mitarbeiter sind bei ihm mit Tablets ausgestattet, um Prozesse wie Materialbestellung oder Rechnungsstellung direkt beim Kunden erledigen zu können. Zahlreiche Bürotätigkeiten würden damit entschlackt. Gleichzeitig bekommen bei ihm die Mitarbeiter die Möglichkeit, Aufträge selbst zu akquirieren – und damit feste Prozente aufs reguläre Gehalt obendrauf. Auf dem Thema Nachhaltigkeit liegt der Fokus der Keimgrün GmbH aus Leun, die mit ihrem Konzept rund um die „Grow-Grow Nut“, ein Anzuchtset für Microgreens (Sprossen) in der Kokosnussschale, mit der das Unternehmen gleichzeitig die Wiederaufforstung der tropischen Wälder unterstützt, Finalist des Hessischen Gründerpreises 2019 in der Kategorie „Gesellschaftliche Wirkung“ war. Robert Ackermann von der Mellow Monkey UG aus Gießen-Allendorf, die Premium-Marshmallow-Produkte produziert und vertreibt, berichtete von seinen Erfahrungen aus der Teilnahme bei der TV-Show „Die Höhle der Löwen“, während Mark Pralle von der Fabrik 19 GmbH, die mit der ausgegründeten Distama GmbH für die Entwicklung von hochwertigen Stadtmarketing- und Indoor-Navigations-Apps steht, jetzt neue Räume im ehemaligen Postverteilungszentrum in der Gießener Bahnhofstraße bezieht. Dort eröffnet die Fabrik19 nicht nur ein neues Büro, sondern gemeinsam mit dem Frankfurter Unternehmen „SleevesUp!“ auch einen Coworking- Space mit rund 80 Arbeitsplätzen.
Der 6. Existenzgründertag TIG StartUp fand im Rahmen der Gründerwoche Deutschland statt und wird als Teil der StartUp-Initiative Hessen aus Landesmitteln kofinanziert.
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