Kommunikation und Sprache sind die vielleicht wichtigsten Elemente des Miteinanders in jeder Art von Gemeinschaft. Menschen, die gehörlos oder hochgradig hörgeschädigt sind, ist unsere Lautsprache oft nicht möglich und sie sind damit ausgegrenzt von der überwiegenden Mehrheit. Ein Forscherteam aus den USA will mit dem Handschuh SignAloud hierzu Abhilfe schaffen. Aber gehen diese Wissenschaftler den richtigen Weg?
Gib mir ein Ooooh! Der SignAloud
Die beiden Studenten Navid Azodi und Thomas Pryor der Universität Washington haben einen Handschuh zur Übersetzung von Gebärdensprache in Text und Sprache entwickelt. Der Gebärdensprechende kann dadurch in Konversationen mit Personen treten, die nicht der Gebärdensprache mächtig sind.
https://www.youtube.com/watch?v=l01sdzJHCCM&feature=youtu.be
Für die Erfindung des Handschuhes SignAloud und der damit verbundenen weiteren Technik erhielten die beiden Studenten den mit 10.000 US-Dollar dotierten „Lemelson-MIT Student Prize“ . Ihr Handschuh enthält Sensoren, die per Bluetooth mit einem Rechner kommunizieren. Dieser vergleicht die Daten zu den Gesten mit den im System hinterlegten dreidimensionalen Mustern. Bei einem übereinstimmenden Muster wird die zugeordnete Tondatei über einen Lautsprecher abgespielt.
Inklusion! Oder zu kurz gedacht?
Viele gehörlose Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, den anderen Menschen von den Lippen lesen zu können. Umgekehrt aber ist eine entsprechende Kompetenz unter den Sprechenden meist nicht vorhanden. Da könnte doch der SignAloud für Abhilfe sorgen! Albert Mehrabian stellt in seinem Buch „Silent Messages“ dar, dass Kommunikation zwischen Sprechenden zu sieben Prozent aus Sprache, zu 38 Prozent aus Betonung und zu 55 Prozent aus Körpersprache besteht. Der Handschuh SignAloud deckt aber nur den Anteil der Sprache des stark Gehörgeschädigten / Gehörlosen ab. Anders gesagt, gehen bei der Übersetzung durch den SignAloud 93 Prozent der Kommunikation verloren.
Sprache ist bloß ein Teil unserer Kommunikation!
Die gehörlose Jule bringt dies in ihrem Blog folgendermaßen auf den Punkt: „Es wird davon ausgegangen, dass so ein Handschuh Gebärdensprache so gut übersetzen kann wie ein Dolmetscher. Das ist nicht der Fall. Gebärdensprache ist mehr als nur Gebärden. Die Sprache ist 3-Dimensional, sie besteht aus Gebärden, Körpersprache und Mimik. Von der Mimik hängt es übrigens häufig ab, ob aus einem Satz in Gebärdensprache eine Frage oder eine Antwort wird. Das alles wird dieser Handschuh nicht übersetzen können und er kann auch den Kontext nicht mitbedenken und übersetzen.“
Ein Gespräch zwischen einer gehörlosen Person, der in Gebärdensprache kommuniziert und einer in Lautsprache kommunizierenden Person kann der SignAloud nicht abdecken! Zwar erfährt der hörende Mensch, was der gehörlose Mensch zu sagen hat. Eine Rückübersetzung geschieht aber nicht. Jule sagt dazu: „Da endet die Kommunikation, die nie eine Kommunikation war, weil sie nicht funktioniert, weil sie nicht in zwei Richtungen funktioniert.“
Alter Hut, dieser Handschuh
Die beiden forschenden Studenten aus den USA haben durch ihr Engagement einen durchaus leistungsstarken Gebärdensprache-Handschuh erfunden. Dieser Handschuh hat aber viele, viele Vorgänger. In 2015 wurden in mindestens drei Ländern derlei Handschuhe „erfunden“ (Mexiko, Deutschland, Saudi Arabien); in 2014 wurde bereits einmal in den USA ein derartiger Handschuh entwickelt; in 2012 hatte dies bereits ein ukrainisches Forscherteam erreicht (dies berichtet Jule in ihrem Blog ). Bereits in 2005 existierten solche Systeme (in weniger weit entwickelter Form) auf dem Markt, wie die Universität Ulm dokumentiert.
Okay, der Handschuh aus den USA soll mit einigen Nachteilen seiner internationalen Vorläufer aufgeräumt haben. So ist die Reaktionszeit des Systems erhöht, er funktioniert präzise und ist relativ handlich. Aber der Software des SignAloud müssten für jede Gebärdensprache der Welt und für die verschiedenen örtlichen Dialekte jedes Sprachraumes die Gebärdenzeichen und unterschiedlichen Worte und Idiome beigebracht werden, warnt die Studierendenzeitung The Record.
Fazit
Allerdings bleibt der SignAloud ein beschränktes Stück Technik, das nur etwa sieben Prozent der Kommunikation eines Gesprächsteilnehmers abdeckt, die Kommunikation des zweiten Gesprächsteilnehmers aber überhaupt nicht. Ein Dolmetscher bleibt weiterhin die einzig Wahl zur Unterstützung zwischen Gebärden- und Lautsprache. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum der SignAloud noch nicht vermarktet wurde.
Die Kommunikation zwischen Menschen bleibt eine Sache der Menschen. Technik kann hier nur helfen, aber nicht den Menschen ersetzen. Wenn also das Dolmetschen im Alltag ermöglicht werden soll, dann gegebenenfalls über einen mobil auf dem Tablet zugeschalteten Dolmetscher. Ideal aber ist es nach wie vor, wenn beide Gesprächsteilnehmer derselben Sprache mächtig sind. Gebärdensprache können wir lernen, um unsere Gebärdenblindheit – also unsere Unfähigkeit Gebärdensprache zu verstehen und zu verwenden – zu verlieren!