Gesundheit ist wohl eines der drängendsten Themen – nicht nur in diesem Jahr. In Deutschland selbstverständliche Arztbesuche für Impfungen oder Vorsorge, sind in vielen ärmeren Ländern oft nicht zugänglich. Schwierige Lebensumstände durch unsauberes Wasser, fehlende Sanitäranlagen und Mangelernährung verursachen viele Krankheiten. Ein Arztbesuch kostet im Ernstfall ein Vermögen, das die wenigsten aufbringen können und sich hoch verschulden – eine Armutsspirale. Eines dieser Länder ist Madagaskar. mTOMADY will Abhilfe schaffen.
Das teure Gut
Dr. Julius Emmrich und Dr. Samuel Knauss aus Berlin arbeiten als Mediziner seit vielen Jahren in medizinischen Entwicklungsprojekten und kennen die Situation vor Ort sehr gut. „In Madagaskar haben nur 10% der Bevölkerung eine Gesundheitsversicherung“, erzählen uns die beiden. Zum Vergleich: in Deutschland sind es rund 99%. Ohne Krankenversicherung eine Behandlung zu bekommen ist schwierig und kann Patient*innen in den finanziellen Ruin treiben. Teilweise so stark, dass sie beispielsweise ihre Kinder aus der Schule nehmen müssen, um für die Behandlungskosten aufzukommen. Dazu kommen die noch sehr „pen and paper“ basierten Abläufe in den lokalen Krankenhäusern.
Das mTOMADY Gesundheitssparbuch
Gleichzeitig haben Samuel und Julius in ihren Aufenthalten jedoch erlebt wie rasant Handys sich in Madgaskar durchsetzen. Die beiden Ärzte wollten aktiv werden und haben mit Unterstützung der Charité – Universitätsmedizin Berlin, das Berlin Institute of Health, und anderen Partner*innen eine Plattform entwickelt, mit der Gesundheitsdienstleistungen direkt über Handy abgewickelt werden können. mTOMADY heißt das Projekt und bedeutet „stark“ oder „gesund“ auf Madagassisch. Nutzer*innen können darüber Geld sparen, das ausschließlich für Arzt- und Krankenhausbesuche ausgegeben werden kann und Rechnungen für Arztbesuche und Krankenversicherungsbeiträge begleichen. Lokale Krankenversicherungen können die Beiträge elektronisch einziehen und so auch ländliche Gebiete erreichen. Das System wurde bisher für schwangere Frauen und Tuberkuloseversorgung implementiert. Viele Schwangere können so ihr Baby zum ersten Mal im Ultraschall sehen und bekommen von lokalen Hebammen wichtige Hinweise für die Geburtsvorbereitung.
mTOMADY ist kein „One size fits all“
Samuel und Julius sehen insbesondere in Afrika große Herausforderungen für die Gesundheitssysteme, da der Kontinent bis 2050 der bevölkerungsreichste auf der Erde sein wird. „Vor allem die Basisversorgung muss unbedingt ausgebaut werden und nicht jedes Konzept das woanders Erfolg hatte, funktioniert“, erklärt Julius. Während der Corona-Pandemie hat sich deutlich gezeigt, dass Vorgehensweisen aus Europa nicht 1:1 in Madagaskar angewendet werden können. mTOMADY, ursprünglich gestartet als digitales Gesundheitssparbuch für Schwangere, kann heute viel mehr: Als digitale Krankenversicherungskarte wird die Software von Krankenversicherungen und internationalen Geldgebern eingesetzt, um Menschen auch in entlegenen Gebieten vor den finanziellen Risiken einer Erkrankung zu schützen. Offizieller Partner ist das Madagassische Ministerium, das die Plattform in die nationale Gesundheitskasse integrieren will.
Chancen für Social Entrepreneurship
Die beiden Gründer sehen Chancen für Social Entrepreneurship im Gesundheitsbereich. Die strikte Ökonomisierung des Gesundheitssystems in Deutschland hat zu vielen Engpässen geführt und steht aktuell wieder vermehrt in der Kritik. Auch bei Sozialunternehmer*innen ist nicht der potentielle Profit wesentlich, sondern die positiven Wirkungen. Das kann gerade im Gesundheitsbereich eine neue Chance sein.
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