Sechs Kieler Studenten auf Festival-Tour. Was nach einer Band klingt, ist gerade „the newest shit“ – Komposttoiletten statt Chemieklos für Festivalbesucher. Was hinter dem Projekt Goldeimer (goldeimer.de) steckt, und wie sich das junge Start-Up im ersten Jahr geschlagen hat, erzählt Malte Schremmer, einer der Gründer von Goldeimer. Das Interviewt führte Anna Rösch.
Malte, was macht Goldeimer und wie kann man den Social Impact beschreiben?
Mit den Humustoiletten bieten wir eine qualitativ hochwertige Alternative zu den üblichen Chemietoiletten auf Festivals an. Sie stinken nicht, benötigen keine chemischen Zusätze und kein Wasser. Aus den gesammelten Fäkalien wird anschließenden ein nährstoffreiches Humus-Substrat hergestellt, das zurück in den Naturkreislauf geführt werden kann, anstatt in Kläranlagen entsorgt werden zu müssen.
In westlichen Ländern wird bedauerlicherweise seit einigen Jahrzehnten genau das Gegenteil praktiziert. Wir scheißen sprichwörtlich in unser eigenes Trinkwasser und sind uns den katastrophalen Folgen kaum bewusst: Mikroverunreinigungen wie Medikamenten- und Hormonrückständen kontaminiert das Grundwasser, wertvolle Phosphor-Mengen gehen verloren und die Aufbereitungskosten sind immens hoch. Hingegen haben in Entwicklungsländern 2,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sanitären Anlagen. Flüsse, die eigentlich auch als Trinkwasserquelle genutzt werden verschmutzen durch die unkontrollierte Toilettennutzung. Die Folge sind Durchfallerkrankungen; alle 20 Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen unadäquater Sanitärversorgung.
Eine Humus-Toilette ist die simple Antwort und ein Lösungsansatz für diese ökologischen und gesundheitlichen Baustellen.
Wie ist Eure Herangehensweise?
Zunächst einmal muss ich festhalten, dass es sich bei einer Komposttoilette um keine neue Erfindung handelt, sondern um schon ein paar tausend Jahre altes Konzept, welches seit den 60ern nur in Vergessenheit geraten ist. Unsere Aufgabe ist es, die Komposttoilette mit all ihren Vorzügen wieder zurück an die Oberfläche zu holen und mit alten Vorurteilen aufzuräumen. Festivals sind dafür genau der richtige Ort.
Bedauerlicherweise ist der Gang zur Toilette und alles, was damit zusammenhängt in Deutschland ein absolutes Tabuthema, über das niemand gerne spricht. Um hier das Eis zu brechen und diesen riesigen Themenkomplex überhaupt in die Öffentlichkeit zu bringen, kommunizieren wir unsere Toiletten ganz bewusst mit Spaß, Kunst, Musik und Entertainment. Wir haben einfach die besseren Toiletten.
Wie werden die Toiletten auf den Festivals aufgenommen?
Nach 4 Festivals und knapp 2.000 Besuchern hat sich unsere Theorie bestätigt: Stell den Leuten ein sauberes, schönes Klo hin, das ausreichend Toilettenpapier hat, Licht und was zum Lesen und schon sind die wichtigsten Schritte für einen entspannten Toilettengang getan. Unsere Crew war 16 Stunden am Tag mit der Reinigung und Instandhaltung der Toiletten beschäftigt. Nebenbei haben wir mit viel Spaß und ausgiebig mit den Besuchern über das kleine und große Geschäft geplaudert.
Wie sieht Euer Finanzierungsmodell aus?
Die Festivalbesucher zahlen für jeden Toilettengang, für eine 10er-Karte oder eine Flatrate. Über die Einnahmen finanzieren wir den kompletten Betrieb. Momentan sind wir mit geplanten 10 bis 20 Toiletten jedoch noch recht klein aufgestellt und könnten die Anforderungen an ein Festival mengenmäßig überhaupt nicht erfüllen. Wir setzen da eher auf ein gesundes, langsames Wachstum. Aber es wäre auch denkbar, dass der Veranstalter für unseren Service bezahlen und die Kosten dieser nachhaltigen Sanitärlösung in den Ticketpreis integrieren würde.
Gibt es bereits Kooperationspartner?
Ja, ab 2014 werden wir mit Viva con Agua kooperieren. Thematisch passt das einfach großartig, denn zusammen mit der Welthungerhilfe finanzieren sie seit jeher durch das WASH-Programm Toiletten in Entwicklungsländern. Und da VcA mit Pfandflaschenaktionen ebenfalls auf Festivals unterwegs ist, bietet es sich einfach an, ein gemeinsames Kommunikationsmodell vor Ort zu entwickeln. Die langfristigen Gewinne aus dem Goldeimer-Projekt werden dann ebenfalls in die WASH-Projekte fließen.
Darüber hinaus haben wir lose Kontakte zu anderen Branchenvertretern aus Deutschland, der Schweiz und UK geknüpft und überlegen momentan, wie wir uns gegenseitig unterstützen und Synergieeffekte erzeugen können.
Was sind Eure größten Herausforderungen?
Unser Anspruch ist neben dem perfekten Klo ebenfalls die Herstellung eines qualitativ hochwertigen Humus. Neben der Logistik ist es daher eine große Herausforderung, ein funktionierendes, mobiles System von der Sammlung der Fäkalien bis zur Kompostierung zu konzipieren, welches auf große Mengen für kurze Zeiträume ausgelegt ist. Bereits in der nächsten Saison wollen wir die Hygienisierung der Wertstoffe sowie das Schließen von Kreisläufen mittels Terra Preta Sanitation bewerkstelligen.
Wer oder Was hat Euch besonders unterstützt oder geholfen?
Eine große Hilfe war der YooWeeDo Changemaker Wettbewerb (Anm. d. Red: Der nächste Einsendeschluss für den Wettbewerb ist am 31.01.14). Durch das Preisgeld wurde es möglich, die ersten Investitionen zu tätigen und 2013 mit zwei Prototypen für sechs Wochen auf Festival-Tour zu gehen. Desweiteren haben uns die Kontakte, welche durch den Wettbewerb entstanden sind, vieles erleichtert. Jan Heinrich, ein befreundeter Architekt und Schreiner hat uns bei der Konstruktion geholfen und die Muthesius Kunsthochschule hat uns eine alte Werkstatt zur Verfügung gestellt.
Wie seht ihr Euch selber in Eurer Entwicklung als Entrepreneure?
Gentle Growth: wir wollen das Ganze vor allem entspannt angehen. Unser Team wird sich weiterentwickeln und sich an vielen Punkten weiterbilden. Klar gibt es viele Fragen, die uns momentan beschäftigen: Wie kann aus einer Schnapsidee am Küchentisch ein funktionierendes Social Business werden? Welche Skills haben wir und wo müssen wir dazulernen? Welche langfristigen Ziele verfolgen wir, wo sind wir bereit Kompromisse einzugehen, wo haben wir unsere Prinzipien? Alles Fragen, an denen wir momentan feilen und in den kommenden Wochen mit Sicherheit auch Antworten drauf finden.
Sind schon weitere Schritte in Planung?
Wir wollen unser Konzept im Frühjahr 2014 potentiellen Investoren vorstellen, um ein Social Business auszugründen. Für den Sommer wollen wir von Anfang Juni bis Mitte August dann auf Festivals unterwegs sein und die Idee von der Humustoilette weiter verbreiten.
3 Kommentare
Ein sehr interessantes Interview. Ich finde das Konzept des Start-Ups sehr gut und innovativ. Viel Erfolg in den kommenden Jahren.
Gruß Klaus
Hallo, ich finde diese Idee einfach grosse Klasse? Ich hatte daß Ganze weit unterschätzt. Ich war der Meinung es handelt sich um z.B. Dixi Klos. Aber dieses ist einfach eine geniale Idee. Ich wünsche den fünf jungen Leuten viel Erfolg und machen Sie so weiter,so verbleibe ich Rainer Facklam
Eine ganz tolle Idee. Die Kompostklos wären doch auch eine Maßnahme,um dem deutschen Klonotstand fernab von der notwendigen Infrastruktur (Wasser, Abwasser zu begegnen.
Oder wie wär es mal mit Klopapier als Geschenk? Das braucht wirklich jeder! Weiterhin viel Erfolg.
Inke Rabe