C2C? Hinter den drei Zeichen verbirgt sich der Terminus „Cradle to Cradle“, auf Deutsch etwa: „Von der Wiege zur Wiege“. Genauer beschreibt er eine Denkschule und ein Designkonzept, die unsere moderne Art zu wirtschaften, zu konsumieren und zu leben hinterfragen – und scharf kritisieren. Aber auch Lösungsansätze bieten! Die Cradle to Cradle NGO setzt sich dafür ein, den Ansatz bekannt zu machen und in Wirtschaft, Politik, Bildung und Zivilgesellschaft zu verankern.
Denkschule und das ideale Produkt
Die einen reduzieren Müll, die anderen CO2, was ist also am Gedanken von „Cradle to Cradle“ anders? Tim Janßen, geschäftsführender Vorstand von Cradle to Cradle NGO, sagt: „C2C geht weiter als andere Denkansätze!“. Das Ziel bisheriger Ansätze ist fast schon paradox: Was passiert, wenn wir so lange verzichten, bis wir alle Emissionsquellen ausmerzen? Dann wäre die logische Folge irgendwann den Menschen abzuschaffen? „Menschen werden immer emittieren, genau wie ein Baum immer emittiert und Abfall in Form von Laub hat. Ihm würde aber niemand vorwerfen, der Umwelt zu schaden. Die Frage ist also, wie und was wir emittieren und wie wir mit diesen Emissionen umgehen. Würden wir sämtliche Rohstoffe anders nutzen und in Kreisläufen halten, könnten wir Menschen der Umwelt sogar nutzen – klimapositiv sein“, sagt Tim deutlich. Die entsprechende Denkschule und einen Designansatz veröffentlicht die NGO auf ihrer Webseite.
Ziel ist immer Kreisläufe zu schließen, genauer: biologische und technologische Kreisläufe. Bei Produkten ist die Frage fast schon einfach: Gebrauchen wir etwas oder verbrauchen wir es? Ein Fahrrad besteht aus vielen unterschiedlichen Komponenten. Verbraucht wird der Reifen. „Wir finden Reifenabrieb überall in der Natur, die Mikropartikel atmen wir täglich ein und darin enthaltene Stoffe schaden nachgewiesenermaßen der Gesundheit“, so Tim. Der Abrieb des Reifens muss also biologisch abbaubar werden. Gebraucht wird der Rahmen des Fahrrads. Dieser muss gemäß des Designansatzes in seine Einzelbestandteile trennbar sein. Am Ende des Lebenswegs können Stoffe sortenrein getrennt, aufgearbeitet, recycelt und wieder einem neuen Produkt zugeführt werden. Von der Wiege zur Wiege also, nicht von der Wiege zur Bahre (Cradle to Grave).
Aufgaben der Cradle to Cradle NGO
Diesen holistischen Ansatz auf alle Bereiche des Lebens anzuwenden scheint eine fast unmögliche Aufgabe zu sein. Der Verein geht sie aber an und setzt nicht nur auf die Unterstützung von rund 1000 Freiwilligen, sondern ist politisch aktiv, vernetzt Akteure, richtet jährlich den C2C Congress aus und bietet Bildungsangebote – auch im eigenen C2C Lab. „Wir zeigen, dass Cradle to Cradle keine schöne Utopie, sondern absolut greifbar ist!“, erzählt Tim. Das schaffen sie auch, indem sie selbst auf das Konzept setzen und in ihrem Lab die weltweit erste umfassende Sanierung einer Bestandseinheit nach C2C Kriterien durchführten. „Dort versammeln wir – zumindest vor Corona und hoffentlich bald auch wieder – regelmäßig Interessierte, Unternehmer*innen und zeigen an Produkten, die nach C2C-Kriterien hergestellt sind, nicht nur, dass es geht, sondern auch wie es geht.“
Dass nicht nur auf Produktebene gedacht wird, zeigt die NGO durch die Arbeit auf politischer Ebene. „Wir sind auch der Meinung, wie viele andere Organisationen, dass wir den CO2-Ausstoß in die Atmosphäre reduzieren müssen. Reduktion und auch Kompensation sind nicht verkehrt. Aber auch hier gehen wir einen Schritt weiter, denn Reduktion alleine ist nicht die Lösung“, berichtet Tim. Die NGO setzt sich für eine nachhaltigere Landwirtschaft ein. Konkret fordert sie, dass Agrarpolitik Kohlenstoffmanagement enthält, um auch diesen wertvollen Rohstoff in Kreisläufen zu halten. Böden sind ideale Kohlenstoffspeicher. Allerdings nur, wenn sie richtig bewirtschaftet und nicht ausgelaugt werden, wie es durch die derzeitige Agrarpolitik passiere, so die NGO. Im wahrsten Sinne also das Problem bei der Wurzel angehen.
Ein weiterer Bereich, den die NGO ausbaut, ist die Arbeit mit Städten und Kommunen. „Die öffentliche Beschaffung macht 20% des Brutto-Inland-Produkts aus – Grund genug, um auf die Beschaffungsleitfäden einzuwirken“, findet der Verein. Wenn diese sich an Cradle to Cradle-Kriterien orientieren, ist das ein großer Anreiz für Unternehmen, materialgesunde und kreislauffähige Produkte herzustellen.
Welche Unternehmen braucht es im Bereich Kreislaufwirtschaft noch?
„Cradle to Cradle findet sich mittlerweile in fast allen Branchen wieder. In der Textilindustrie und im Bauwesen ist C2C schon relativ weit. In anderen Bereichen, wie etwa der Elektronik, fehlen noch gute Produkte und Geschäftsmodelle. Auch wäre es zum Beispiel toll, wenn es eine C2C-Alternative für die Abdichtung von Fugen in Nasszellen gäbe, also eine Art gesundes und kreislauffähiges Silikon“, erklärt Tim. Aber auch wer nicht im technischen Bereich aktiv wird oder ist, kann unterstützen. Pay-per-use-Modelle sind in vielen Branchen möglich. Bei der NGO wird schon je Waschgang der Büro-Spülmaschine gezahlt. Ist diese defekt, wird sie vom Anbieter aufbereitet oder in Einzeleile zerlegt und weiterverarbeitet. Das CIRCL in Amsterdam, als weiteres Positivbeispiel in Sachen „Zirkuläres Bauen“, zahlt knappe 12 Cent je Aufzugfahrt. Es lohnt sich der digitale und sehr informative Rundgang durch das Gebäude.
Du überlegst, in dem Bereich zu gründen? Die NGO unterstützt mit viel Wissen, Material, stößt Projekte mit an und „wenn jemand einen Kontakt braucht, vernetzen wir gerne“, sagt Tim. Bei den (sonst) regelmäßigen Veranstaltungen können Ideen gepitcht, Gleichgesinnte gefunden werden und alle können sich über Herausforderungen und Lösungen austauschen. Am wichtigsten sei aber, so Tim, die Großunternehmen anzugehen. Viele davon erkennen mittlerweile zwar, dass wirklich nachhaltige Produkte und Prozesse künftig ein Wettbewerbsvorteil sind – darunter auch C&A und Werner & Mertz (Frosch Reinigungsmittel) – doch noch sind längst nicht genug Unternehmen aktiv in Sachen C2C.
Wenn Du mehr über die NGO und das Thema erfahren möchtest, sei am Abend des 12. Januars beim nächsten „Netzwerktreffen Nachhaltigkeit“ dabei. Gemeinsam mit dem Zero Waste e.V., Circular Berlin und der NochMall, dem Kaufhaus für „gerettete“ Gegenstände, spricht Tim über zirkuläre Städte, Herausforderungen und C2C-Lösungen. Du erhältst nicht nur einen spannenden Einblick in die Organisationen, sondern bekommst auch viel Platz für Deine Fragen. Sei dabei und melde Dich jetzt hier kostenfrei an!
Autor: Lukas Marzi
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